Roth für Anfänger :: Eine Auswahl aus dem — meistens kaum verhüllt autobiograiischen — Werk des grandiosen Erzählers

„Portnoys Beschwerden“

Roths einzigartig schweinischer und komischer Skandalroman – und Bestseller – von 1969 passte wie die Faust aufs Auge der neuen Zeit. Zwischen tyrannischer Mutter und Matze, schicksen und gojims erlebt der pubertierende Erzähler wahrhaft kosmische Orgasmen auf der Toilette, während sein rechtgläubiger und spießiger Vater mit Verstopfung vor der Tür zetert. „Portnoy’s Complaints“ definiert für immer das moderne, säkulare Judentum und infizierte Woody Aliens Filme „Bananas“, „Radio Days“ und „Oedipus Wrecks“ – was Roth ihm verübelt, obwohl Allen ein ähnliches Elternhaus hatte. Sex & Obszönität: 5,0

„Zuckermans Befreiung“

Roths Alter ego Nathan Zuckerman schildert 1981 die Folgen des Erfolgs eines Schriftstellers. Sein Skandalroman heißt hier „Carnovsky“, und wo immer Zuckerman auftritt, äußern sich ganze Busse, Schulklassen, Verehrerinnen zu der berüchtigten Lektüre. Wie stets nutzt Roth die Malaise zu ungeheuren Übertreibungen und satirischen Zuspitzungen, ganz zu schweigen von erotischen Beutezügen und den üblichen jüdischen Neurosen. Tolle Figur: Alvin Pepler! Unbedingt auch „Die Anatomiestunde“ lesen, in der Zuckerman mit kaputtem Rücken verschiedene Liebchen verwöhnt. Sex und Obszönität: 4,0

„Mein Leben als Sohn“

Ein erschütternder Bericht von 1991 über den Tod von Roths Vater, den der Sohn bis zuletzt im langen Sterben begleitet und in Connectitut beherbergt hat. Ergreifend, schockierend und unsentimental setzt er Herman Roth ein Denkmal, dem despotischen Schwätzer und Weiberhelden, dem Pedanten und Besserwisser und Kleinbürger, der noch zuletzt, 80 Jahre alt, das Altenheim in Florida kommandiert, bis eine Gesichtslähmung den Niedergang einleitet. Indem er genau hinschaut, lässt Roth dem Sterbenden die menschliche Würde. „Du sollst nichts vergessen“, lautet der letzte Satz. Allein für dieses Meisterwerk der Empathie hätte Roth den Nobelpreis mehr verdient als Grass für all sein Tun.

„Sabbaths Theater“

Ein unfassbar aberwitziger Roman, der nach Jahren der Fingerübungen und Spiegelfechtereien 1995 Roths grandioses Spätwerk einleitete: die Geschichte des einstigen Puppenspielers und Filous Mickey Sabbath, der jetzt mittellos und als unwürdiger Greis seine letzen Freunde behelligt und in wahnhaften Schüben die absurdesten Momente seines überaus absurden Lebens memoriert Auch bei den bizarrsten Sex-Episoden, etwa Masturbation auf dem Friedhof, erzählt Roth mit stoischer Sprachgewalt Am Ende ist es der tragische Untergang eines Todgeweihten, der noch der Putzfrau nachsteigen muss. Sex und Obszönität: 5,0

„Amerikanisches Idyll“

Ein Roman, der Amerika schon 1997 als zerrissenes Land zeigt, in dem die alten Emigranten ihre eigenen Kinder nicht mehr verstehen. Seymour Levov leitet in der dritten Generation eine renommierte Handschuhfabrik in Newark. Er, der blonde Hüne, war „der Schwede“ in Zuckermans Abschlussklasse, und so beginnt das Buch mit dessen Erinnerungen an ein verheerendes Treffen der Klasse von 1950. Dann beschreibt der Autor Levovs Verzweifeln an der Tochter, die während des Vietnamkriegs in den Untergrund ging, an einem Bombenattentat beteiligt war und nach Jahren – verwahrlost und fanatisch – von Levov gefunden wird.

„Mein Mann, der Kommunist“

Eine Hommage an den aufrechten, gerechten und starken Ira Ringold, der in den späten 40er Jahren zum bildungshungrigen Autodidakten und Sportsmann wird, der gegen Ausbeutung und Rassentrennung kämpft und schließlich durch die Scheidung von seiner Frau ruiniert wird, die ihn in einem Buch als Kommunisten denunziert und damit zugrunderichtet Roth erinnert an diesen amerikanischen Helden durch einen Schüler von Iras Bruder Murray, der als Englischlehrer die Hatz der McCarthy-Jahre überlebte. „Mein Mann, der Kommunist“ (1998) ist Roths Abrechnung mit Bigotterie, Nationalismus und Heuchelei der amerikanischen Gesellschaft.

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