Short Cuts :: VON JOACHIM HENTSCHEL

The Blondes (MIDDLE CLASS PIG/CARGO)

„Kate Moss, motocross“ reimt sich gigantisch auf der ersten Platte der kalifornischen Blondes, einer Glitter-Rock-Männerfentasie mit Denim, Buttons und einer Lippenstiftspur im MundwinkeL Kein Schaden, dass die Band das Händeklatschen und Power-Riffing von The Sweet verwendet: Der Spaßkrampfhat nicht übergegriffen. Big Star haben halt nie über Motorräder gesungen, 3,0

Manowar – Warriors Of The Word (NUCLEAR BLAST)

Wikingerschiffe am Horizont! Manowar, die Power-Metal-Friesengöttersöhne haben zum ersten Mal seit Jjnukr Than HeU“ (1994) den Textgenerator angeworfen: „Raisc your hands, swords in the air/Brothers of metal together again!“ Elf Nationalhymnen, zum Teil mit Double-Bassdrum, darunter Puccinis „Nessun Dorma“, zu Keyboard-Geigen auf Italienisch gesungen. „Recorded in Hell“, weil ihr Studio so heißt. Besser als Spinal Tap. Für den großen Spaß: 2,5

Kilerkouche – Revolution (weserlabel/indigo)

Es gibt da einen völlig rätselhaften Zusammenhang: Wenn deutsche Bands besonders britisch klingen wallen, stellen sie sich besonders dumm. Singen (wie die Plage Creme 21) von Sternenstaub, Mädchen aus dem All und lustige Seefahrten und geben sich dabei Mühe, so antriebsschwach zu wirken wie die Lusche von den Charlatans. Der College-Power-Pop, den die Berliner Killerkouche drunterlegen, hat längst nicht so hohle Wangen. Manchmal scheint es, sie wollen schreien. Sollten sie. 1,5

Coal Chamber – Dark Days (roadrunner)

Pestkrankenhaus oder GruselkaspereL Die hässlichsten Kotz-Fratzen des Nu Metal, zu denen Coal Chamber aus L. A. zählen, machen ihre Musik ja vor allem für junge, schreckhafte Menschen, und Sänger Dez Fafara ist wie die meisten seiner Kunden entzückt von den eigenen postnatalen Schäden. Deshalb röchelt und speit er. Davon abgesehen ist „Dark Days“ eine bestechend logische Weiterführung von Black Sabbaths psychotischem Hardrock. Die Riffs sind verzehrend, und Ozzy Osbourne geht mir mehr auf die Nerven. 2,5

Biffy Clyro – Blackened Sky (BEGGARS BANOUET/CONNECTED)

Prog-Rock im kleinen Rahmen. Wie man mehrtürmige Kirchen aus möglichst wenigen Gitarren baut, ohne dafür die Converse-Schuhe auszuziehen, hat die „Creep“-Radiohead und die Smashing Pumpkins beschäftigt, auch die Ranschmeißer Bush und Counting Crows. Jetzt Biffy Clyro, ein Trio aus Glasgow. Die hymnische Anstrengung und der konfessionelle Ton des Sängers signalisieren: Es geht hier um Wichtiges. 2,5

Ai Phoenix – Lean That Way Forever (GLITTERHOUSE)

Womöglich haben sie alle Instrumente selbst gebastelt. Die Holzgitarren und Blasebalg-Orgeln und Trommeln, die sie gut im Wald versteckt haben, weil niemand außer den paar Gastmusikern sie anfassen darf. Ai Phoenix sind ein Trio aus Bergen/Norwegen und spielen Folksongs, die sich am Rand entlangtasten, der ans Verschwinden grenzt. Das nennt man den Glitterhouse-Effekt: Die Stille der Natur schwillt an, Sängerin Mona Mork singt vom Flüstern der Vögel, im Chor mit Patrick Lundberg wie ein Hippie-Mädchen auf sanfter Chemie. It’s a beautifulday.3,5

Sense Field – Tonight And Forever (EMI)

„I love you to death“ – aufgeschrieben ist es eine grimme Zeile, aber Sense Field-Sänger Jonathan Bunch trägt sie wie eine höfliche Bitte vor. Verbindlicher kann Gitarrenrock nicht werden. Erst recht nicht, wenn er wie bei den Kaliforniern Onkel und Tanten im Bay-Area-Punk hat. Sense Field haben jüngst eine dieser berühmten Platten aufgenommen, die fünf Jahre lang nicht erschien. Zermürbt? Die Core-Knaben endlich weichgeklopft? Wenn das kein so kurzsichtiger Rückschluss wäre, könnte man es glauben. 2,5

Barclay James Harvest – Revolution Days (koch)

Immer wieder erreichen uns besorgte Anfragen – wie steht es nur um Barclay James Harvest, die 1980 so schön vor dem Reichstag gesoftrockt haben? Gute Nachrichten, denn Les Holroyd ist nun wieder da: Nachdem sogar Samy DeLuxe den Komponisten mit einem Zitat aus „The Song (They Love To Sing)“ würdigte, hat sich der Kutschen-Liebhaber noch einmal aufgeschwungen. Das Album von Holroyd (mit Ex-Mitgliedern von Sad Cafe und dem Keyboarder von Celine Dion) erinnert EightiesÜberleber mehr an empfindliche Rockbands wie Mr. Mister oder Cutting Crew. Synthies, die nicht blubbern, sondern schwemmen. Und ein Song mit zwei Gitarrensoli. 3,0

Throat – Knievel Is Evil (riverman/zomba)

Rockmusik, die vor allem vom Rocken handelt, ist Rock-Rock. Und davon gibt es derzeit – Sie wissen das – viel von großbritannischen Newcomern namens Vex Red oder Crackout. Die nordirischen Throat steckt man erst in dieselbe trübe Ackerfurche, bis auffallt, dass es hier weniger um Selbstverliebtheit als um Hass geht Hardcore klingt durch: Das ist nicht immer straight, wirft einige Crossover-Falten, aber besser kann man sowas kaum machen. 3,0

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