Short Cuts :: VON WOLFGANG DOEBELING

The Bottle Rockets – Songs Of Sahm (BLUE ROSE)

Doug Sahm hatte ein Herz so groß wie Texas, doch war seine Weltsicht die eines Kindes. Sir Doug lebte für den Tag, in den kleinen Dingen ein Filou und Gangster, im Großen immer Idealist. Das war kein Problem in den Fifties und Sixties, als er die musikalische Topografie des Lone Star State nicht weniger prägte als vor ihm Buddy Holly und nach ihm Waylon & Willie. Ideen zählten, Geld nahm man mit. Als sich dieses Verhältnis im Laufe der Seventies ins Gegenteil zu verkehren begann, war Sahm schnell weg vom Fenster. Wer ihn zuletzt erlebte, in den Jahren vor seinem Tod, wurde Zeuge eines tragischen Verfalls. Die Bottle Rockets aus Missouri verbeugen sich nun, bless ‚an, tief vor der Legende, indem sie 13 Sahm-Songs covern. Sie tun das mit den ihnen zur Verfugung stehenden musikalischen Mitteln: Rock und, ahem, Rock. Gut, dass ihre Selektion weitgehend stimmig ist. Es sind vor allem Sahms hippieske Marginalien aus seiner San-Francisco-Phase, die hier höchst unterhaltsam zu Ehren kommen. „She’s AboutAMover“ indes ist Tex-Mex tiefergelegt, „Nitty Gritty“ groovt allzu locker, und „Texas Me“ fehlt ganz. Schade auch, dass das bei uns unerträglich verschlagene „Mendocino“, ein raffiniertes Stück über Jailbait-Sex und schlechtes Gewissen eigentlich, hier nur burschikos und banal heruntergeschrubbt wird. Thanks, anyway. 3,0

Willie Nelson – The Great Divide (lost highway)

Derweil sich Willie wider besseres Wissen auf ein weiteres Crossover-Manöver einlässt, diesmal unter dem Plexiglas-Dach des trendigen und wendigen Labels Lost Highway. Natürlich lässt man den alten Haudegen duettieren, auf Teufel komm raus. Wobei Willies Schlag bei den Ladies durchaus hübsche Resultate zeitigt: die Stimmbandverschlingungen mit Bonnie Raitt, Shetyl Crow und Lee Ann Womack sind recht reizvoll. Gern verzichten würde man freilich auf das Mex-schematische „Maria“, vom Routinier im Tandem mit Rob Thomas entboten, einem Mann, der ja überall seinen süßlichen Senf dazugibt. Immer noch besser als Julio Iglesias, möchte man konzedieren. Was allerdings nicht für den dreisten Dummbolzen Kid Rock gilt, mit dem sich Willie hier ebenfalls einlässt „Last Stand In Open Country“ heißt die vokale, Steroidgedopte Muskelpackung. Laststand indeed. 2,5

Joe Diffie – In Another World (monument)

Vor zehn Jahren noch gehörte Diffie zu den akzeptableren Gestalten in Nashville, obschon seine Beiträge zur Honky-Tonk-Historie marginal waren. Über sein neuntes Album lässt sich eigentlich nur noch vermelden, dass sich Diffie in der Mainstreet eingerichtet hat, zwischen Tim McGraw und Billy Ray Cyrus, und wie diese ultra-Iäppische Songs fertigt. Synthetik, von den Strings bis zu den einfaltig programmierten Drums. For linedancers only. 1,0

The Shins – Oh, Inverted World (OMNIBUS/SUB POP)

In den Staaten bereits vor einigen Monaten veröffentlicht, bringt die Debüt-LP der Shins aus Albuquerque, New Mexico, eine höchst attraktive und sympathische Verquickung von klassischen Britpop Songstrukturen mit Westcoast-Harmonien. Die Kinks und die Byrds standen Pate, die Zombies und Love. Und über allem schwebt der wohltätige Genius des Brian Wilson. Jingle-Jangle und mild-jazzige Kadenzen, subtile Keyboards und helles Kindergelächter bilden den Hintergrund für melodische Delikatessen, keine davon ganz so köstlich wie ihre Single „New Slang“, sämtlich jedoch delikat. 3,5

Sodastream – The Hill For Company (TUGB0AT/ROUGH TRADE)

Wäre Will Oldham einen Tick optimistischer, könnte Kurt Wagner Songs mit leichterer Hand schreiben, dann würden sie Sodastream ähneln, einem Duo aus dem westaustralischen Perth. Karl Smith und Pete Cohen heißen die beiden, und sie untermalen ihre impressionistischen Stimmungsbilder mit sparsam gesetzten Farbtupfern von Gitarren, Standup-Bass, Posaune, Trompete und Viola. Scheinbar kunsthandwerklich klingt diese Platte, doch sie wächst. 3,5

Sofa Surfers – Encounters (virgin)

Erfreulich unaufgeregte und doch ideenreiche Trans-Border-Proiektion zwischen HipHop und Electronica. Sofa Surfers kommen (Obacht!) aus Wien, aus einer Stadt mithin, der gewisse skierotische Tendenzen in Sachen Kulturbetrieb nicht abzusprechen sind. ,JZncounters“ wirkt wie ein Sieb, das brauchbare Elemente wie Dub und Rap aus dem globalen Flow filtert und sie soundästhetisch neu bemäntelt Musik als Prozess, das Frickeln als Ziel. 3,0

The Plan – Only These Movements Remain (REWIKA/CARGO)

Kanadischer Krach, zu je einem Drittel Punk, Emo und Garage. Vehement, zornig, juvenil, grob. Kein bisschen schön, kein bisschen dumm. Neben The Plan wirken Jimmy Eat World wie Bon Jovi. Zu einer halben Melodie hat es indes nicht gereicht Würde womöglich auch nicht passen zur gewählten Arschkickerlyrik. 2,5

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