SHORT CUTS :: VONHÜTTMANN & BORCHOLTE

FORMIDABEL

An Popularität hatte Goldie zwar seinen Lehrmeister GROOVERIDER überflügelt, doch der Stern des Schülers erstrahlte nur kurz. Nun gibt der DJ und Narziß aus London ein weiteres Drum’n’Bass-Kapitel vor. Auf „Mysteries Of Funk“ (Higher Ground/Columbia) kombiniert er den klappernden Rhythmus mit verschiedenen Jazz-Stilen und 70er-Funk, als hätten Miles Davis und James Brown neben ihm im Studio gestanden. Elfenhafter Frauengesang sowie dunkelurbane Techno-Sounds könnten dem Drum’n’Bass noch einmal die Pforten zum Mainstream aufstoßen…

JAMES GRANT startete seine musikalische Laufbahn in den frühen 80er Jahren mit Chris Thompson (The Bathers) und seiner Band Friends Again. Um den Erhalt und Fortschritt schottischer Popmusik machte er sich dann mit der Formation Love And Rockets verdient, die er 1994 auflöste. Mit dem Solodebüt „Saw dust In My Veins“ (Survival/RTD) meldet sich der Songwriter und Sänger jetzt eindrucksvoll zurück. Wer an verregneten Tagen gerne melancholisch durch kleine Städte streift, wird von Grant mit Folk, Soul und seinem schottischem Charme bedient. Besser kann’s nur Dr. Robert.

Natürlich: Um Britpop und amerikanischen College-Rock zu vereinen, braucht es eine Band aus Kanada. Auf „Headfirst Into Everything“ (Nettwerk/Indigo) verschmelzen MYSTERY MACHINE die Rotzigkeit von Oasis mit dem Pathos von Nada Surf oder Buffalo Tom. Große Gesten leicht gemacht.

AKZEPTABEL

DIE ART, für melodiösen Gitarrenlärm zuständig, haben zehn ihrer älteren Songs noch mal als „Mellow Versions“ (KID) aufgenommen. Ohne Dissonanzen, dafür mit einem Cello, der Akustikgitarre und etwas Elektronik erstrahlen nun Harmonien, die purer Pop sind. Auch durch Makarios Gesang – etwa in „All I Find Is ?“ – denkt man sogar an The Smith oder Prefab Sprout Erstaunlich.

Ebenfalls erstaunlich ist der neueste künstlerische Output des Klangprofessors DAVE STEWART. Sein Soloalbum „SLyFi“(N2KJ Edel) erweist sich allerdings als etwas zu verspielt-verschroben. Aber das hat bei dem englischen Pop-Genie Stewart natürlich Methode. Mit ironischer Selbstdistanz bewahrt er sich zwar vor Peinlichkeit, nicht aber vor Langeweile. Nur das selbstzufriedene „Happy To Be Here“ erinnert an verlorene Qualitäten.

BIG DADDY KANE, Rap-Größe der zweiten Stunde, proklamiert den „Veteranz Day“ (SPV) in dem monotonen Sound seiner Zeit: behäbige, schwere Bässe, knappe Loops und endlose Reime. Der Funk und Soul in Songs wie „La-la-land“, „2 Da Good Tymz“ oder „Hold It Down“ ist zwar achtenswerter Anachronismus, bei 21 Stücken gehen dem alten Knaben aber zu oft die Puste und Ideen aus.

Produzenten, DJs und Kollegen wie Adrian Sherwood, die Deftones oder Chris Vrenna von Nine Inch Nails haben sich auf „Remixe Dystemper“ (Nettwerk/Indigo) Songs der Industrial-Pioniere SKINNY PUPPY vorgeknöpft und zu rauschaften Tanzkrachern verarbeitet. Es beginnt mit Ken Marshalls Version von „Rodent“, die sieben Minuten donnernd inaschiert, und endet mit einer Überraschung: Gang Starr haben die gequälten Vocals von „Censor“ mit Dope-Beats unterlegt und ein surreales Meisterstück geschaffen.

Das Trio ORANGE DROP aus München spielt auf „Zodiac“ (Rec Head/ BMG) kargen, kontemplativen, kraftvollen Gitarrenrock mit verfremdeten Elektro-Klängen. Im Stück „Phase 3“ aber Massive Attack raushören zu wollen, wie in der Info geschrieben steht, ist ziemlich vermessen. Viel näher stehen die romantisch-dunklen Verzweiflungsoden wie „Love Song“ dem elektrifizierten Country und Blues. Und den typischen Britpop-Refrain gibt es nicht bei „Fun Key“, eher in „Stormy Night“. Schade, trotzdem schön.

Schön klingt auch, was sich STUDIO GRANDE in ihrer rheinländischen Heimat zusammengebraut haben. Etwas Lemonheads, ganz viele verzerrte Gitarren, lakonische deutsche Slacker-TextemitTocotronic-Touch- das sind die Zutaten, die auf ihrem selbstbetitelten Debüt (Day-Glo Records) zum Einsatz kommen. Und funktioniert’s? Bei der Jeff Lynne-Hommage Jeff und dem trickreichen „In die Charts“ allemal.

Die Töne und Rhythmen auf „Lukin Orgel“ (Ladomat) von Keni Mok alias TURNER wirken diffus, doch dahinter stecken reichlich elektronische Bastelei und pedantischer Feinschliff. Mehr Schwingungen als Songs, sind die Spieldosenmelodien ein einziger Strom, der wunderlich und wenig bewegend vorüberfließt.

TripHop ist der Klangteppich, auf dem das deutsche Duo CZECH formal gelungen eine sinfonische, sphärische Popmusik ausbreitet Arrangeur Gregcore gehörte mal dem Rap-Crossover-Act Saprize an, Sängerin Kate Pearl kommt vom Barjazz. Zu Piano, Orgel, Streichern und vertrackten Rhythmen haucht die Chanteuse auf „Mad World“ (Stereo Deluxe) sinnlich über „Cyber Love“, „Aggression“ oder „Ruddy & Tand“. Kleine Passionen.

Die Compilation „Future Lounge“ (Stereo Deluxe) klingt nicht ganz so entspannt wie die der Wiener Kaffeehauselektroniker – und nach Zukunft ohnehin nicht Doch sind die Stücke gerade so rhythmisch und auch funky, daß moderne Großstadtdandys selbst beim Tanzen nicht ihren Cocktail oder Cappucino verschütten werden. Flirtmuzak zum Wohlfuhlen…

Die Legende erzählt, daß die Band sich gründete, als das eigene Haus bis auf die Grundmauern niederbrannte. In Wahrheit sind NASHVILLE PUSSY mit „Let Them Eat Pussy“ (Mercury) der Beweis, daß Amerikaner doch noch eines können, nämlich rocken. Der gemischte Vierer besteht aus zwei Damen, die aussehen, als kämen sie direkt aus der nächsten Striptease-Bar, und ihren männlichen Pendants. White Trash meets Punk: ein Kessel Geschmackloses – 27 Minuten Speed und schlechter Sex.

INDISKUTABEL

Typen wie MAMBO KURT sind der Schrecken aller Betriebsfeste und Hochzeitsfeiern, wenn sie sich wie verkannten Universalgenies an diversen Hits abrackern. Auf „Return Of The Alleinunterhalter“ (Stammbeiz Records) zieht der Arzt alle Register seiner Heimorgel. Da der Kasten und sein Klimpermann den Erfordernissen wenig entsprechen, zerspielt er „Creep“, „Come As You Are“, „Paradise City“, „Engel“ oder „Insomnia“ unbekümmert zur Unkenntlichkeit. Daß er unter obiger Kategorie geführt wird, dürfte Mambo Kurt als Kompliment auffassen. Beim derzeit grassierenden Masochismus am Dilettantismus gilt nur diese Bewertung als credibility zum Trash-Kasper.

Mit so einem Namen konnte das ja nix werden: THE NIXONS aus Oklahoma legten vor zwei Jahren das respektable Album „Foma“ vor Um so mehr enttäuscht jedoch der Zweiding „Baton Rouge“ (USG/Eastwest): Endloser kann die Langeweile im US-Modern-Rock nicht mehr werden.

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