Sigur Rós :: Valtari
Unter einer Dampfwalze stellt man sich gemeinhin etwas anderes vor. Mit der Bezeichnung eben einer solchen Baumaschine übersetzt sich der Titel des sechsten Sigur-Rós-Albums nämlich. Doch auf „Valtari“ befindet sich alles in einem Schwebezustand. Es gibt nichts, woran man sich festhalten kann, die sakralen Chöre nehmen keinen bemerkbaren Anfang und kein bemerkbares Ende. Es brodelt, grummelt, knackt, zischt, dass man nur mit Müh und Not das mit der Bandheimat Island assoziierte G-Wort vermeiden kann. Das Klavier tröpfelt, setzt sich langsam in Bewegung, Sänger Jónsi Birgisson, Freund des gehauchten Falsetts, arbeitet auf keinen offensichtlichen Höhepunkt hin. Musik als Masse.
Die 54 Minuten Spielzeit verteilen sich auf acht Songs, denen alle herkömmlichen Strukturen fehlen. Mit größerer Fokussierung auf elektronische Sperenzchen bewegen sich die Isländer in Richtung Ambient und machen dort weiter, wo sie eigentlich mit ihrem dritten Album (das mit den Klammern!) 2002 aufgehört haben. Das muss man wohl für einen mutigen Schritt halten, und das mag auch als Untermalung für TV-Dokus passen – als Begleiter des wirklichen Lebens aber ist „Valtari“ untauglich. Wer schaut sich schon rund um die Uhr Kunstwerke und Experimentalfilme an? Nicht mal Damon Albarn.
Sigur Rós ignorieren also diesmal ihre zuletzt häufigeren Popmomente. Mit „Hoppípolla“ enterten sie einst die englischen Singlecharts, Chicane polten das Stück gar in einen Clubhit um. Mittlerweile dient der Song von 2005 als Einlaufhymne für den Drittligaclub Preston North End.
„Valtari“ hat so gar nichts Euphorisierendes mehr und taugt in einem Stadion nur als Soundtrack zu den Tränen nach einem Abstieg. Der bricht wiederum manchmal wie eine Dampfwalze über einen Klub herein.