Stevie Wonder :: At The Close Of A Century

Nicht ganz gelungen: ein voluminöses Box Set als Best-Of-Konzentrat

Als Paul Simon 1975 seinen ersten „Grammy“ für das beste Album des Jahres „Still Crazy After „All These Years“ war’s damals – erhielt, dankte er bei der Preisverleihung ganz besonders herzlich dem Kollegen Stevie Wonder: dafür, dass der in dem Jahr keine neue LP veröffentlicht hatte. Im Jahr zuvor war nämlich dessen „Fulfillingness‘ First Finale“ Album des Jahres gewesen, ein Jahr davor war ,Jnnerrisions“ der große Sieger, und 1976 dann räumte Stevie Wonder mit „Songs In The Key Of Life“ ab. Mit mehr als 15 Millionen allein in den USA verkauften Doppel-LPs wurde das der größte kommerzielle Triumph eines Motown-Künstlers überhaupt Das Künstler-Pseudonym, das man Jahre zuvor dem kleinen Steveland Morris verpasst hatte, war zur self-fulfillingp rophecy

geworden. Und 17 „Grammys in seiner Karriere dürften auch ein einsamer Rekord sein.

Mit „Where I’m Coming From“ und dem programmatisch betitelten „Music Of My Mind“ hatte er sich ähnlich wie damals Marvin Gaye mit „What’s Going On“ und „Let’s Get It On“ – als Singer/Songwriter radikal von allen Motown-Konventionen abgenabelt. Einmal volljährig geworden, hatte ihm Berry Gordy nichts mehr vorzuschreiben. Der Chef der Soul-Fabrik, die damals längst nicht mehr den „sound of young America“ repräsentierte, durfte froh sein, dass Stevie Wonder den Vertrag mit seiner Firma erneuerte. Ab sofort produzierte der seine Platten – Meilensteine wie „Talking Book“ und „Innervisions“ waren das Ergebnis der neu gewonnenen schöpferischen Freiheit – weithin im Alleingang.

Weil er seit „Music Of My Mind“ sämtliche Rechte an seinen Aufnahmen besitzt und für die Veröffentlichungen immer nur die von ihm selber produzierten Master und Ü-Kopien zum LP-Umschnitt freigab, stimmt das endlos verschobene und endlich doch noch vorgelegte Box Set nicht restlos glücklich. Denn zum einen rückte er die Original-Master auch für dies Projekt nicht raus. Andererseits war man offenbar zu geizig, etliche der größten Hits der 80er Jahre wie „Ebony And Ivory“ oder „That’s What Friends Are For“ in Lizenz zu erwerben. Zudem fehlen hier ein paar hinreißende Ohrwürmer vom Soundtrack „Journey Through The Secret Life Of Plants“.

Trotz der fast fünfeinviertel Stunden Spieldauer ist das Set genau genommen nur ein chronologisch assortiertes „Very Best Of-Konzentrat ohne die sonst obligatorischen Studio-Outtakes und vielen Raritäten. Ausnahmen von der Regel: Die Edelschnulze „I Just Called To Say I Love You“ überspielte man vom zwei Minuten kürzeren und besseren Single-Mix. „Fingertips“ ist ein Remix vom 3-Spur-Originalband, der – wie praktisch alle Hochbit-Remaster in dieser Box – entschieden besser klingt als die seit Mitte der 80er Jahre erschienenen CD-Remakes. Und eine echte Rarität, die hier ihr CD-Debüt erlebt, ist denn doch das 1967 aufgenommene, aber erst zehn Jahre später kurzfristig mal auf dem 3-LP-Set erschienene „Until You Come Back To Me (That’s What I’m Gonna Do)“.

Eine rechte Fleißarbeit war die Recherche für die 16-seitige Discografie. Aufgelistet werden nicht nur sämtliche Singles und LPs, sondern auch praktisch alle Cover-Versionen und Gastspiele bei Aufnahmen von mehr oder minder prominenten Kollegen. Letztere würden ein genauso voluminöses Box Set füllen.

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