The Coral :: SONY

Morrison-Gedenkstimmlage, Orgeln-Sixties-Rock ohne Reue Sie scheinen enorm im Kommen zu sein, die „Sechz’ger, Siebz’ger“. Welch ein Glück für The Coral. Diese plündern nämlich völlig ungeniert das reichhaltige Erbe eben jener Ära. Dabei besitzen sie den Enthusiasmus einer Schülerband und die Chuzpe alter Hasen. Ihr Erstling enterte im letzen Sommer überraschend die Top Five der britischen Album-Charts. Sowohl Puristen als auch Menschen, die schon das Werk der Doors für Zirkusmusik hielten, werden ob dieses Umstandes Schreikrämpfe bekommen haben.

Denn den Weg der sechs adoleszenten Engländer säumen getragene Gesangspassagen in Jim-Morrison-Gedenkstimmlage, Orgeln und Chorgesang. Verquirlt wird das Ganze mit großzügig bemessenen Beat-Anleihen und allerlei Zitaten auch aus den abwegigsten Genres.

„I Remember When“ etwa vereint räucherstäbchenkompatible Ballade und Sixtiesgerocke ungerührt mit einer vitalen russischen Volksmusikeinlage, die wohl selbst Ivan Rebroff in Erstaunen versetzen würde. „Calendars And Clocks“ bietet einen kecken Rawhide-Verweis, während bei „Skeleton Key“ völlig entfesselter, seltsam psychedelischer Garagenrock vorherrscht, der für ein wunderliches Esoterikintermezzo innehält und schließlich in aufgekratztem Kaufhausfunk endet. Als ob das alles nicht schon alles großartig genug wäre, wird mit „Dreaming Of bu“ auch noch ein grandios verspielter Retro-Ohrwurm in stolzester britischer Popschreibkunst aufgeboten.

In ihren Anfangstagen, so weiß das Platteninfo, verschanzten sich die Jungs von The Coral „in einem verlassenen Bunker am Meer, um dort bis an die Schmerzensgrenze zu üben – und zu rauchen“. Für die Aufhahmearbeiten am Debüt muss Produzent Ian Broudie (Lightning Seeds) ihnen zumindest gelegentlich Freigang zum Pilzesammeln erteilt haben. Aus lauter Dankbarkeit möchte man ihm dafür die Sonnenbrille putzen.

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