Tipp: Foxcatcher :: Regie: Bennett Miller
Sportler und Mäzen stehen im Mittelpunkt eines Sportfilms, der von inneren Kämpfen berichtet
Ruhm ist die Professur unter den Stadien der Prominenz, denn im Gegensatz zum Erfolg kann man Ruhm nicht selbst aktiv erlangen: Er widerfährt einem durch andere. Musiker freuen sich zwar über Goldene Schallplatten, aber der Ruhmes-Ritterschlag ist die Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame. Schauspieler mögen mit ihren Millionengagen prahlen, es ist aber erst der Oscar, mit dem sie sich rühmen. Und vielleicht bringt „Foxcatcher“ einigen Leuten Ruhm, denn der Film ist der heißeste Anwärter im Rennen um die diesjährigen Academy Awards.
Mark Schultz (Channing Tatum) ist Sportler mit Leib und Seele. 1984 hat er bei den Olympischen Spielen Gold im Ringen gewonnen, doch drei Jahre später ist vom Erfolg kaum etwas übrig. Er lebt allein in einer kleinen Wohnung und hält an Schulen Vorträge über seinen olympischen Traum. Aber die meiste Zeit des Tages verbringt er beim Training, das er gemeinsam mit seinem Bruder und Mentor, Dave (Mark Ruffalo), absolviert.
Eines Tages wird der Multimillionär John du Pont (großartig: Steve Carell) auf die Brüder aufmerksam. Der sportbegeisterte Junggeselle kann Mark überreden, seinem Team Foxcatcher beizutreten und in seinen hauseigenen Sporthallen für die Olympischen Sommerspiele 1988 in Seoul zu trainieren. Kaum sind sie auf dem herrschaftlichen Anwesen angekommen, vereinnahmt du Pont seinen neuen Schützling wie einen verloren geglaubten Sohn. Doch schon bald stellt sich heraus, dass du Pont nicht der selbstlose Mäzen ist, der zu sein er vorgibt: Zu Lob und Luxus gesellen sich schnell Trainingsqualen und Psychospiele. Immer stärker lässt er Mark seine Macht spüren und verliert dabei allmählich den Sinn für die Realität. Als du Pont es schafft, auch Dave für Team Foxcatcher zu gewinnen, bahnt sich ein Unglück an. Denn das enge Band zwischen den Brüdern wird für ihn immer mehr zum Quell von Eifersucht und Paranoia …
„Foxcatcher“ basiert auf dem wahren Schicksal der Olympiasieger Mark und Dave Schultz. Doch anders als bei Sportfilmen wie „Rush“ oder „Das Wunder von Bern“ geht es hier nicht um Ausnahme-Biografien oder Legendenbildung. In „Foxcatcher“ konzentriert sich Regisseur Bennett Miller auf das eigenwillige zwischenmenschliche Verhältnis zwischen Mark und seinem Mäzen. Und das wird vor allem zu einem Duell der Darsteller.
Hollywood-Beau Channing Tatum hat in Filmen wie „Magic Mike“ seine Physis bereits ausgiebig präsentiert, doch diesmal dient sein Körper nicht als erotische Projektionsfläche, sondern ist Medium seines emotionalen Innenlebens. Wenn er zu Beginn allein mit einer Puppe trainiert, wenn sich seine muskulöse Grobschlächtigkeit am filigranen Nippesambiente von du Ponts Villa reibt oder wenn er wie ein kleiner Junge auf dem Boden vor dem Fernseher sitzt und Imagevideos der Familie schaut, verrät das mehr über ihn als sein karges Gemurmel. Denn über Befindlichkeiten wird hier nicht geredet; wortkarg verlieren sich die Figuren auf der Suche nach Ruhm und Anerkennung in ihrer Einsamkeit. Besonders verzweifelt sucht Mr. du Pont. Der Milliardär, Ornithologe und Patriot versucht sich als Trainer seine Anerkennung zu erkaufen. Doch auch wenn sein Verhalten immer exzentrischer wird und ihm mitunter – wie beim Kauf eines Panzers – eine gewisse Komik immanent ist, wird du Pont nicht als Narr dargestellt, wie die Besetzung mit Steve Carell vermuten lässt. Im Gegenteil. Selten hat man Carell so vielschichtig und grandios gesehen. Er spielt den Millionär als einen Mann von beunruhigender Entschlossenheit, in dessen Blick permanent ein diffuser Anflug von Wahnsinn zu erkennen ist. Sein du Pont ist zerfressen vom Wunsch nach Ruhm um jeden Preis, doch hinter all dem Größenwahn lässt er eine gebrochene und zutiefst einsame Seele erkennen. Und die Frage, ob er Team Foxcatcher aus selbstlosem Patriotismus trainiert, seine mittelmäßige Sportbegabung aufwerten will oder lediglich die Anwesenheit junger Männer genießt, wird nicht beantwortet.
Überhaupt vermeidet Bennett Miller es, definitive Antworten zu geben, er verliert sich nicht in langen Erklärungsversuchen, sondern schickt einen gesunden Körper und einen kranken Geist gezielt in den Ring und beobachtet diesen psychischen Zweikampf. Dieses Beobachten spiegelt sich auch in den Bildern wider, immer wieder verlagert sich der Blick in die Totale, als könne man das Wesentliche aus der Ferne besser sehen. Aber in erster Linie lebt „ Foxcatcher“ eben von seiner gelungenen Besetzung, und vor allem Steve Carrell sollte bei der Oscar-Verleihung dieses Jahr seinen verdienten Ruhm mit nach Hause nehmen können.