Who’s Bad :: Schorsch Kameruns Politpop lädt zur lustvollen Überforderung ein
Diesem Album sollte ein Büchlein mit Fußnoten und Quellenangaben beiliegen. Mit Texten von Philosophen oder Aktivistinnen, vielleicht zwei, drei gut recherchierte Hintergrundartikel, dazu noch ein paar musikalische Hörbeispiele. Denn so viel ist klar: Der kulturelle, politische und persönliche Kontext der Band swingt in diesen Songs immer mit. Und trotzdem funktioniert „Who’s Bad“ als mitreißende Popmusik – man muss ja nicht gleich dazu tanzen wollen. Bereits der Titel ist eine Referenz an Michael Jackson, wie er im Video zu „Bad“ um seine Street Credibility kämpft. Auch die Zitronen sind keine bad motherfuckers, wenngleich sich ihre Moral von Michaels erheblich unterscheidet.
In „Scheinwerfer und Lautsprecher“ erzählt Schorsch Kamerun von medialer Reizüberflutung und der Exponiertheit des eigenen Selbst: „Es hieß: Privates muss politisch sein. Jeder ist für alle heute Öffentliches. Jeder ist für jeden Familiäres.“ Die Hölle sind immer die anderen. Die Zeichenmacher, egal ob sie in Werbeagenturen sitzen oder bei Facebook. Man wolle mit „Who’s Bad“ da weitermachen, „wo CAN, DAF et RAF aufgehört haben, als es gerade interessant wurde“, heißt es großmäulig im Beipackzettel. Und prompt pumpt „Der Investor“ im klassischen DAF-Sequencer-Beat, die Metall-Sounds erinnern an den frühen Fad Gadget. Im Text geht es um die Rolle der Künstler bei der Vermarktung von Städten und Stadtteilen. Man unterstützt die bunten Vögel ja immer dann wirkungsvoll beim Flattern, wenn es gilt, Interesse für ein neues Quartier zu wecken, wie im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Das Recht auf Stadt für alle ist das zentrale Thema von „Who’s Bad“ .
Einer der besten Tracks des Albums ist das großartig treibende „Ma Place“, auf Französisch mehr geschrien als gesungen von Gadoukou la Star, einem Sänger und Tänzer von der Elfenbeinküste und Mitglied von Couper Decaler. Es geht um „den Platz“ – egal ob es sich dabei um eine Disco, den öffentlichen Raum oder einen ganzen Staat handelt. Nicht jeder erhält Zutritt: Wer schwarz, arm, oder arbeitslos ist, scheitert zunehmend. Eher amüsant ist dagegen „Rittergefühle“, wo es im Sound des Abwärts-Klassikers „Computerstaat“ um die ergrauten Punks der ersten Generation geht: „Stalingrad, Stalingrad, geliebter Katastrophenstaat“. Gitarrist Ted Gaier wird immer häufiger auch zum Sänger, als Texter ist er ja schon lange aktiv.
„Who’s Bad“ ist so reich an Themen und musikalischen Einfällen, dass der Platz -es geht immer um den Platz! – hier leider nicht ausreicht. Wer sich gern einer lustvollen Überforderung aussetzt, wird prächtig bedient. Die Goldenen Zitronen sind Volksbühne im Songformat.(Buback) JÜRGEN ZIEMER
John Mayer