Roger Waters – Interview

Zum letzten Mal war er 1983 mit Pink Floyd im Studio, und doch ist seine Band noch immer omnipräsent. "Dark Side Of The Moon", "The Wall" und "Wish You Were Here" sind seit 30 Jahren Stammgäste in den amerikanischen Top 200, und Floyds musikalisches Vermächtnis lässt sich an Gruppen wie Radiohead ablesen, die in ihrem emotionalen Rigorismus viel mit den frühen Pink Floyd gemein haben. Nachdem er fast zehn Jahre untergetaucht war, meldete sich Waters 2000 mit einer erfolgreichen US-Tbur zurück und wird nun vier Monate lang Europa und Asien bereisen. Das erste Studioalbum seit acht Jahren steht ebenfalls auf dem Programm, ein Konzeptalbum über einen Mann, der im Balkankrieg gefoltert wurde und nun sein Schicksal als Taxifahrer in New York fristet. Auch wenn seine Themen nicht gerade versöhnlicher werden - privat scheint Waters seinen Frieden gefunden zu haben. Sogar die alte Fehde mit den ehemaligen Kollegen steht nicht mehr im Vordergrund - was ihn aber nicht davon abhält, eine gelegentliche Breitseite gegen Dave Gilmour abzulassen. Als ich ihm erzähle, dass der Floyd-Gitarrist die Absicht geäußert habe, endgültig von der Bühne abzutreten, knurrt Waters nur ungnädig: "Wurde aber auch Zeit!"

Die Anonymität, die du seit den frühen Jahren kultiviert hast, scheint sich auf deine Solo-Karriere eher negativ ausgewirkt zu haben – während der Name Pink Floyd nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt hat.

Sie haben halt von der ungeheuren Zugkraft des Trademark profitiert, die wir alle unterschätzt haben. Zumindest haben sie die Zugkraft unterschätzt, denn als sie 1987 (erstmals ohne Waters – Red.) auf Tour gingen, hatten sie die Hosen voll, dass keiner kommen würde. Tatsächlich verkauften sie 160 000 Tickets in zwei Tagen. Der Name ist unglaublich stark.

In den 70ern haben die Sex Pistols Pink Floyd als die Krönung des pompösen Stadion-Rock verhöhnt. Inzwischen spielen die Punk-Bands in den Stadien, während Pink Floyd schon wieder als Untergrund-Einfluss gelten. Steht die Welt auf dem Kopf?

Das ist halt dieses Generationsding. Die Pistols wollten einfach nur auf die Pauke hauen. Es war so durchschaubar! Sie wurden von einem Burschen gemanagt, der in seiner Boutique beknackte Klamotten verscherbelte. Und dann starb einer von ihnen – was die Ikonisierung verstärkte. Wenn einer stirbt, ist das immer gut. Abgesehen natürlich von ihm selbst und seinen Eltern und seiner Freundin. Aber für alle anderen ist es ein Volltreffer.

Hast du Radiohead-Alben gehört?

Mein Sohn gab mir „OK Computer“. Hat mir sehr gut gefallen. Zwei, drei Songs waren brillant. Inzwischen gab mir jemand das Neue mit dem roten Cover… ich weiß nicht maL wie’s heißt…

Amnesiac .

…aber damit konnte ich gar nichts anfangen. Ich hörte es im Auto und dachte mir: „Alles schön und gut, aber mich habt ihr damit verloren. Wo ist mein Neil-Young-, wo mein John-Lennon-Album?“

„Dark Side Of The Moon“ und „The Wall“ verkaufen noch immer mehr Platten als die meisten Bands, die in dieser Zeitschrift vorgestellt werden. Irgendwelche neue Erkenntnisse, warum dem so ist?

Ich hatte jahrelang keine Antwort darauf, weil ich selbst überrascht war. Ich denk mal, dass beide Platten handwerklich gut gemacht waren, dass sie gute Songs und auch einen Zusammenhalt haben. Darüberhinaus haben sie, vor allem „Dark Side“, dieses jugendliche Insistieren auf ein paar elementaren Überzeugungen. Eine Zeile wie „Breathe, breathe in the air, don’t be afraid to care“ fordert gewisse Leute ja geradezu dazu auf, „Du alter Wichser“ zu rufen. Aber ich glaube, es ist gerade das, was Radiohead und andere Bands anzieht. Die Platten haben eine undefinierbare Keuschheit. Es ist auch kein Zufall, dass diese Platten vor allem von Leuten zu Beginn ihrer Pubertät gekauft werden – aus dem gleichen Grund, warum Jugendliche noch immer „Der Fänger im Roggen“ lesen.

Sind Pink Floyd eine dieser Mega-Bands aus den Siebzigern, die eine erfolgreiche Reunion hätten inszenieren können, aus gutem Grund aber darauf verzichtet haben?

Vielleicht wäre das eine Option gewesen. Im Falle der Eagles war’s sicher nicht brüderliche Liebe, sondern das schnöde Geld, das sie wieder zusammenbrachte. Und Dave ließ ja neulich verlauten, dass er eigentlich viel zu viel Kohle habe. Das wäre in unserem Fall also kein Motiv gewesen.

Wenn ich auf Uppern wäre, hätte ich vielleicht sogar auch einer Reunion zugestimmt. Bin ich aber nicht. Gott sei Dank.

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