So war das Immergut 2010: The Kids Are Still Allright

Am Wochenende fand in Neustrelitz zum 11. Mal das Immergut statt - das einem irgendwie jünger vorkam als die Jahre zuvor. Schwer zu sagen, ob das geplant war, aber man könnte sagen: Der Generationenwechsel ist geglückt. Ein Nachbericht.

Das Immergut in Neustrelitz hat im letzten Jahr viel Zeit darauf verwendet, zurückzublicken und sich selbst zu feiern. Für das, was man geschafft hat dort hinten in Neustrelitz inmitten der Mecklenburger Seenplatte, wo man nicht unbedingt ein pulsierendes Herz der Szene vermutet, die heute ebenso landläufig wie vage als „Indie“ tituliert wird. Klar, dass man da schnell Tocotronic zur Hand hat: „Das haben sich die Jugendlichen selbst aufgebaut“. Haben sie wirklich. Und deshalb wurde das zehnte Festival im vergangenen Jahr zu einem Schaulaufen all jener Indiestreiter, die das Immergut seit Jahren begleiteten: Die Sterne, Tomte, Kettcar, Pale. Alle da. Was unfairerweise dazu führte, dass viele Fans im Forum nörgelten, dass man die Acts da ja schon alle kenne und in Deutschland schon zig Mal gesehen hätte. Ein tolles Jubiläumsfest wurde es trotzdem.

In diesem Jahr kam es einem nun so vor, als stünden die Zeichen auf Neuanfang. Was zum einen daran lag, dass der Festivalmitbegründer und Booker Daniel Kempf alias Kemper nicht mehr aktiv dabei war und folglich ein neues Team am Ruder saß. Das Line-up in diesem Jahr musste vielleicht aus diesem Grund ohne die ganz großen Namen auskommen. Aber wo im letzten Jahr noch oft und laut geklagt wurde, dass es in der rauen Bookingwelt immer schwieriger wird, noch mal zum Beispiel an Death Cab For Cutie oder die Yeah Yeah Yeahs ranzukommen (die beide schon auf dem Immergut gespielt hatte), war in diesem Jahr einfach klar, dass man lieber ein stimmiges Gesamtpaket im Auge hat, bei dem es auch egal sein kann, dass z. B. das quirlige Go! Team anderswo nicht unbedingt eine Art Headlinerslot bekommen hätte oder die Band Efterklang aus Dänemark, die ihr letztes Album mit dem 42köpfigen Nationalen Kammertheater einspielte. Das schöne am Immergut war, dass ebendiese Bands dann aber auf der Hauptbühne über sich hinaus wuchsen und den Abend sehr wohl mit Leben füllen konnten. Vor allem das Go! Team am Freitag brachte mit seinen überdrehten und oft herrlich am Ton vorbei gesungenen Funk-Indie-HipHop-Bastarden das Publikum bis zur letzten Reihe in Bewegung. Wohingegen Efterklang mit elegischen Kompositionen, verhuschtem Gesang, manchmal hymnisch aufstrebenden Refrains und überraschungsreichen Bläser- und Streicherparts den durchweg sonnigen Samstag mit einer abendlichen Melancholie erfüllten, die einem Frühsommertag nicht schlecht zu Gesicht steht. Ebenfalls wie immer auf der Bühne überzeugend – zumindest was die grellbunten Theater-meets-Zirkus-meets-Elektrotrash-Inszenierung anging – waren Bonaparte. Dass es bei den musikalisch oft mal holpert, soll ja auch so…

Die wahre Qualität des Immergut findet sich aber in erster Linie in der Location und im Publikum. Die lauschige Waldlichtung am Rande des Industriegebiets in Neustrelitz wurde dabei in diesem Jahr von einem vergleichsweise jüngeren Publikum besucht, von denen viele die Festivalanfänge sicher nur vom großen Bruder kennen – wenn denn überhaupt. Machte aber so gar nix und ist auch nicht so zu verstehen, dass sich hier der Indiekindergarten trifft. Vielmehr ist das eine Entwicklung, die man auch in den Konzertstädten beobachten kann. Der Two Door Cinema Club zog auch schon bei seinen Berliner Clubshow vorzugsweise die Abijahrgänge und Erstsemester der Stadt, ebenso wie wie Everything Everything aus Manchester – beides Bands, die einen zackig gehackten Mischmasch aus Indierock und Elektromomenten anbieten und ehrlich gesagt nach drei Liedern langweilen und nach fünfen nerven. Es sei denn, man ist gerade in Indietanzlaune und freut sich an wehenden Scheiteln.

Ausverkauft war es in diesem Jahr zwar nicht, aber wer das Wochenende auf dem Immergut verbracht hat, und das nicht zum ersten Mal, der ging mit der beruhigenden Gewissheit nach Hause, dass mit dem kleinen Herzensding in der Mecklenburger Pampa noch ein paar Jahre zu rechnen sein wird. Und das passiert ja auch nicht alle Tage…

Daniel Koch

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