THE FLAMING LIPS tun alles, damit man sie für irr hält. Dafür muss die Band ganz schön schlau sein

Wenn Ihnen in England auf der Straße jemand sagt, Sie seien verrückt, ist das in der Regel ein Kompliment. Wenn Sie ein ernsthafter Künstler sind wie Wayne Coyne von den Fläming Lips und Ihre Musik vor allem mit den Werken mental instabiler Menschen verglichen wird (Syd Barrett, Brian Wilson, Roky Erickson), müssten Sie eigentlich beunruhigt sein.

Falls es keine Absicht ist. Die Flaming Lips aus Oklahoma, eine der überlebensfähigsten Underground-Bands der USA, haben seit 20 Jahren mit Freude Signale des Wahnsinns versendet. Mit riesigen Geräusch-Wasserfällen und niedrigsten Lo-Fi-Mixen haben sie alle auf die Probe gestellt (bescheuert? progressiv?), für das Stück „Love Yer Brain“ bauten sie viele Mikrofone auf und zertrümmerten dann ein Klavier. Der Erfolg der Single „She Don’t Use Jelly“ brachte ihnen 1993 einen besoffenen Gastauftritt in „Beverly Hills 90210“, den einer der Schmieren-Schauspieler mit der wundervollen Zeile kommentieren musste: „I don’t normally listen to alternative music, but these guys rock the house!“ Vieles ist sprichwörtlich, die Box mit den vier CDs, die man gleichzeitig abspielen sollte, die 40 Autoradios, die Wayne Coyne in einer Tiefgarage wie ein Orchester dirigierte. Dann das emotional unmittelbare, höchst stringente Meister-Album „The Soft Bulletin “ von 1999, jetzt in ganz ähnlichem Stil Jibshimi Battles The Pink Robots“.

Und wie erklärt sich Sänger Wayne Coyne? „Ich wünsche mir, dass die Hörer in mir den ehrgeizigen Menschen sehen, der für das Gute im Leben steht Wie der Kapitän eines Schiffes: Schaut, wir sind durchs düstere Wasser gesegelt, aber wir verkünden euch, dass bald die Sonne aufgeht. So was in der Art.“ Aus der Musik haben die Fläming Lips den Irrsinn ausgelagert, der steckt höchstens noch in den Konzepten – unkommerziell sind sie geblieben, ein Indie-Feigenblatt für den Warner-Konzern, der ihnen seit zehn Jahren die Treue hält „Viele Leute denken das, aber ich bin keiner, der im Sandkasten sitzt und mit seinen Fäkalien spielt“, weiß Coyne. „Geistige Gesundheit ist ein hohes Gut. Wer behauptet, dass die Irren eigentlich die Normalen seien, hat noch keinen echten Wahnsinnigen getroffen.“ Er schon.

Allein wie der Sänger im bügelglatten Saturday-Night-Fever-Anzug dasitzt und mit erstaunlich tiefer Sprechstimme redet, stellt die Wahrnehmung wieder auf die Probe: Ist er der Echte? Er erzählt, wie die Band ihr altes Label gelinkt hat, als die zu ausufernden Stücke beanstandet wurden. Bei den folgenden Sessions wiesen die Musiker einfach jedes Lied mit 3 Minuten und 26 Sekunden aus, auch die längeren – und prompt lobte das Label die neue Disziplin. So gut beherrschten die Fläming Lips schon damals das Spiel mit Erwartungshaltungen.

Die „Yoshimi“-Platte will Coyne übrigens als Lob auf die Technik verstanden wissen: „Ich freue mich darauf, dass die Computer die Weltherrschaft übernehmen, weil dann alles effizienter wird.“ Er lächelt. Oder: Er versteckt ein irres Grinsen.

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