„Machine Gun“: Free-Jazz-Meister Peter Brötzmann ist tot

Peter Brötzmann hat den europäischen Free Jazz geprägt wie kaum ein anderer. Nun ist der Saxophonist und Komponist im Alter von 82 Jahren gestorben.

Peter Brötzmann, der mit seinem radikalen, einfallsreichen Jazz-Stil die Spielmöglichkeiten des Genres auf dem alten Kontinent maßgeblich veränderte, ist gestorben. Das melden am Freitag (23. Juni) übereinstimmend mehrere Medien. Mit seinen extravaganten Free-Jazz-Ausbrüchen prägte er sogar ein eigenes Verb: „brötzen“. Ex-US-Präsident Bill Clinton, ebenfalls passionierter Saxophonist, aber mit weniger Talent beschenkt, nannte ihn einmal „einen der Größten“.

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Geboren 1941 in Remscheid, begann Peter Brötzmann zunächst Klarinette zu lernen. Nach der Schule absolvierte er ein Kunststudium und arbeitete als Grafiker; dabei wurde er tief geprägt von der Fluxus-Bewegung. Nebenher spielte er in verschiedenen Bands Klarinette und Tenorsaxofon. Bereits Anfang der 1960er-Jahre gelang ihm mit seinen Alben „For Adolphe Sax“ und vor allem „Machine Gun“ der Durchbruch. „Machine Gun“ ging auf einem Spitznamen zurück, den ihm der verdutzte Don Cherry einmal für sein muskulös-schrilles Saxophonspiel gab. Beide Platten erschienen im Eigenverlag, weil Brötzmann die Kontrolle über sein Werk wahren wollte.

Zuvor ließ er sich von Miles Davis, John Coltrane und anderen Jazz-Größen inspirieren, als sie durch Deutschland tourten. Brötzmann bildete mit Peter Kowald und dem schwedischen Schlagzeuger Sven-Åke Johansson ein Trio, spielte mit Carla Bley und Cecil Taylor und blieb stets der Vorstellung treu: Nur Veränderung bringt Fortschritt.

Free Jazz als Reaktion auf eine Welt in Flammen

Brötzmann lehnte die üblichen rhythmischen und melodischen Spielweisen ab und widmete sich dem Free Jazz. Das empfand der hochpolitische Musiker auch als einen Weg, mit dem nationalistischen Erbe seines Landes zu brechen und auch mittels der Kunst nicht einfach nur Unterhaltung zu machen, sondern die Krisen der Welt einfließen zu lassen und sie so zu bewältigen. Demnach sei sein Free-Jazz, so der Saxophonist einmal in einem Interview, „nicht unbedingt eine Musik, bei der man auf dem Sofa sitzt und nur Spaß haben kann“.

Obwohl Brötzmann seinem Ruf des wilden Musikers mit seinen Stücken gar nicht gerecht wurde oder werden wollte, ließ er mit der Jazz-Supergroup Last Exit in den 80er Jahren mit Sonny Sharrock, Ronald Shannon Jackson und Bill Laswell einige Sachen vom Stapel, die Punk und Noise Rock kreuzten. In dieser Zeit wandelte der Saxophonist zwischen den Welten, bereiste die USA und Japan, war Teil von gleich mehreren Trios und blieb zugleich seinem künstlerischen Schaffen als Maler und Objektkünstler treu.

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In seiner Karriere nahm Peter Brötzmann mehr als 50 Alben unter seinem Namen auf. Die meisten Cover dafür gestaltete er selbst. Seine Arbeiten mit Derek Bailey und Keiji Haino wurden von Kritikern gelobt und von Fans über Jahrzehnte geachtet. Bis zu seinem Tod war Brötzmann einer der beliebtesten (und zuweilen auch gefürchtetesten) Teilnehmer auf Jazz-Festivals rund um die Welt.

Frans Schellekens Redferns
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