The Queen Is Dead – The Smiths

Punkte: 169

Nach drei Alben in einem Jahr mussten die Fans ganze 14 Monate auf das Meisterwerk der „größten britischen Band seit den „Beatles“ warten. Das lag aber nicht an den Smiths – die Songs entstanden bei Soundchecks auf der Frühjahrstour 1985, die Aufnahmen waren im Herbst fertig und Anfang 1986 gemischt, aber ein erbitterter Rechtsstreit mit Rough Trade verzögerte die Veröffentlichung um fast ein halbes Jahr. Hysterische Zeiten waren das: Das „„lange“ Warten sorgte für Auflösungsgerüchte, zumal Johnny Marr von der Produktion total erschöpft war (John Porter musste „Frankly Mr. Shankly“ fertigmischen, weil Marr nicht mehr konnte) und Andy Rourkes wegen seiner Heroinsucht von Morrissey aus der Band geworfen, aber nach einer Verhaftung gleich wieder zurückgeholt wurde, um sein Leben zu retten.

„„The Queen 1s Dead“ war die perfekte Antwort: souverän, vielseitig, berstend vor Ideen, Witz, Leidenschaft, Melodien und randvoll mit Klassikern wie der Single-Fanfare „Bigmouth Strikes Again“, „„There Is A Light That Never Goes Out“, „„Cemetry Gates“ und „„The Boy With The Thorn In His Side“, ebenfalls vorab ausgekoppelt (und kommerziell verhältnismäßig erfolglos, was den Zwist mit dem Label weiter anheizte), dessen Gitarrenlinien sich ins Gedächtnis prägen wie eine Liebe auf den ersten Blick – wer sie einmal hört und je wieder aus dem Kopf bekommt, sollte sich beim Hausarzt auf eine mögliche Resistenz gegen Popmusik untersuchen lassen. Unter Morrisseys Texten auf der Platte sind einige seiner besten und musikalischsten, etwa die groteske Satire „„Vicar In A Tutu“, die zynisch ätzende Realutopie im Titelsong (die Johnny Rottens Queen-Tirade im Vergleich wie eine Schulbubenfrechheit wirken lässt) und die haarsträubende Todes-Romantik im Mittelteil von „„There Is A Light That Never Goes Out“ („„And if a double-decker bus / crashes into us / to die by your side / such a heavenly way to die“).

Wie immer nahm er auch kein Blatt vor den Mund, wenn es um Kritik ging: „Cemetry Gates“ nahm auf den Vorwurf Bezug, Morrissey bediene sich in seinen Texten allzu freizügig bei seinen Lieblingsautoren (etwa bei Shelagh Delaney, einer britischen Schriftstellerin, die vor allem durch ihr Theaterstück „A Taste Of Honey“ bekannt wurde) – „Keats and Yeats are on your side / But you lose / Cause weird lover Wilde is on mine“ lautet die Antwort, eine Anspielung auf Oscar Wildes berühmtes Zitat „talent borrows, genius steals“, das in die Auslaufrille der Single „Bigmouth Strikes Again“ graviert war.

Obwohl er sich, was die technische Umsetzung musikalischer Vorstellungen angeht, noch immer als Lehrling betrachtete, wagte der Sänger erste Experimente und begleitete sich auf „„Bigmouth Strikes Again“ und „„The Boy With The Thorn In His Side“ selbst unter dem Namen „„Ann Coates“ (nach Ancoates, einem Stadtteil von Manchester) als Zweitstimme (von Toningenieur Stephen Street mittels Harmonizer in die richtige Lage gepusht).

Zuvor ein „„Kult“, wurden die Smiths durch „„The Queen Is Dead“ zur unumstritten größten britischen Band der achtziger Jahre – obwohl die Radiosender im Lande sie nach wie vor absolut ignorierten und damit dem folgenden Compilationalbum seinen Titel gaben: „„The World Won’t Listen“. Kritiker feiern die Platte, die in den UK-Charts nur auf Platz zwei kam, sich aber besser verkaufte als der Nummer-eins-Vorgänger „„Meat Is Murder“, bis heute als das definitive und beste Smiths-Album, müssen sich allerdings von Johnny Marr und Morrissey belehren lassen, die beide das letzte, „„Strangeways, Here We Come“, vorziehen. In den USA hatten The Smiths nicht so viel zu melden, dort schaffte es „„The Queen Is Dead“ dank der stetig wachsenden Gefolgschaft der Band aber immerhin in die hinteren Regionen der Billboard Charts, wo auf Platz 70 allerdings Endstation war.

Das Cover zeigt übrigens keine Queen, sondern den jungen Alain Delon in dem Film „„L’Insoumis“ (1964).

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