Was uns Limp Bizkit im Jahr 2023 noch zu sagen haben

Ende 2021 veröffentlichten Limp Bizkit nach zehn Jahren Abstinenz ihr Comeback-Album. Völlig unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit. Jetzt gehen sie in Deutschland auf Tour. Was hat uns diese Band noch zu sagen? Vielleicht mehr, als wir glauben.

Manchmal reicht es ja schon, sich an ein paar Geschichten zu erinnern, um zu verstehen, wie sie gewesen sind, the good old times, die wilden 1990er-Jahre. Geschichten, so wie diese hier: Als Fred Durst, Frontmann der NuMetal-Band Limp Bizkit einmal gefragt wurde, was er denn eigentlich von Slipknot halten würde, da antwortete er, dass die Fans von Slipknot mit hoher Wahrscheinlichkeit bloß aus fetten, hässlichen Kindern bestehen würden, worauf dann Corey Taylor, der Frontmann eben jener gescholtenen Band, ankündigte, dass Fred Durst erstens selber fett wäre und zweitens, dass er plane Fred für den Spruch umzubringen. Das war ihm wichtig. Es war ihm so wichtig, dass er diese Ankündigung sogar noch ein zweites Mal wiederholte. In einer Livesendung. „Fred“, sagte er, „wir werden kommen und dich umbringen.“

Die Geschichte hat gezeigt, dass Corey Taylor sein Wort nicht gehalten hat. Fred Durst erfreut sich noch immer bester Gesundheit, aber den Ruf, den er sich damals erarbeitet hatte, ein riesengroßes Arschloch zu sein, den er ist bis heute nicht losgeworden. Ansonsten stehen die Dinge mittlerweile geringfügig anders. Slipknot, die 1999 gerade ihr Debütalbum veröffentlicht hatten, waren gefragte Newcomer, Limp Bizkit hingegen zählten nach dem Release von „Significant Other“ (1999) bereits zu den größten Rockstars der Stunde. 16 Millionen Mal verkaufte sich die Platte. Heute hingegen zählen Slipknot zu den erfolgreichsten Metalbands der Welt und Limp Bizkit, ja, was ist eigentlich aus Limp Bizkit geworden?

Limp Bizkit waren die erfolgreichsten Vertreter des NuMetal, einer musikalischen Spielform, die es innerhalb kürzester Zeit schaffte, die Welt zu erobern, nur um innerhalb einer ebenso kurzen Zeitspanne wieder komplett von der Bildfläche zu verschwinden. Man entfachte ein musikalisches Strohfeuer, verursachte einen Flächenbrand und geriet wieder in Vergessenheit. Heute können Bands wie Korn oder Papa Roach zwar noch immer Hallen und prominentere Festival-Slots füllen, von ihren kommerziellen Höhenflügen um die Jahrhundertwende können diese Bands, die im regelmäßigen Rhythmus kaum noch beachtete Alben herausbringen, heute tatsächlich nur noch träumen. Limp Bizkit hingegen waren wirklich abgetaucht. Sie standen zwar noch hin- und wieder mal gemeinsam auf der Bühne, doch eine neue Platte hatten sie seit „Gold Cobra“ (2011) dabei nicht mehr im Gepäck.

„Still Sucks“ war kein Comeback-Album, das war eine Frechheit

Zehn lange Jahre kündigten sie wieder und wieder ein Comeback-Album an, dass genauso regelmäßig auch wieder verschoben wurde. Man sei zu perfektionistisch, hieß es, noch nicht ganz glücklich mit den Songs, mit dem Sound, mit der eigenen Performance. Das weckte Hoffnung. Das könnte ein Comeback werden, bei dem die Band wieder zur alten Stärke zurückfindet. Doch es kam anders. Das Album erschien dann tatsächlich irgendwann Ende 2021. Doch den Ansprüchen wurde es nicht gerechnet. Keinen Ansprüchen. Das war kein Comeback-Album, das war eine Frechheit. Es wurde einfach so veröffentlicht, digital hingeworfen, ganz ohne Promo, ganz ohne Videosingles. Es klang nicht komplett beschissen. Aber von der brachialen Produktion der Vorgängeralben war „Still Sucks“ meilenweit entfernt. Und dennoch scheinen die Fans es der Band nicht übel zu nehmen. Diesen Monat kommen Limp Bizkit wieder nach Deutschland. Sie spielen in großen Venues. Die Konzerte sind bereits so gut wie ausverkauft. Haben uns Limp Bizkit im Jahr 2023 vielleicht mehr zu sagen, als wir glauben? Wahrscheinlich schon. Um das zu verstehen muss man einen Blick auf die Bedeutung von NuMetal im Allgemeinen und Limp Bizkit im speziellen werfen.

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NuMetal entstand als eine Antwort auf die tiefe Sinnkrise, in der sich die Rockmusik Ende der 1990er-Jahre befand. Grunge sprengte zu Beginn des Jahrzehnts die Grenzen zwischen Mainstream und Underground, machte den Punk zum Pop, doch mit dem Tod von Kurt Cobain befand sich die hochgehypte Szene plötzlich in einer tiefen Identitätskrise. Wie sollte es nun weitergehen, wie sollte man sich künftig definieren? Die Antwort, die NuMetal auf diese Fragen gab, war Fusion statt Innovation. NuMetal verband die instrumentale Härte des Thrash-Metal mit Vortragsformen der Hip-Hop-Kultur. Sampling, DJing und Rap fanden nach frühen Crossover-Experimenten endgültig Eingang in die Rockmusik. Es war nicht die erste, aber die nachhaltigste Öffnung des Rock für neue musikalische Spielformen.

Plötzlich stand beides gleichberechtigt nebeneinander. Plötzlich konnte man beides sein, Rap und Rock, statt sich, wie bislang für eine der beiden subkulturell so gegensätzlichen Kulturen entscheiden zu müssen. NuMetal erschuf die gleichberechtigte Koexistenz von Rock und Rap und führte schließlich dazu, dass Hip-Hop nun auch für eine Szene interessant wurde, die sich bislang von dieser Kultur abgrenzen wollte. Das war ein zentraler Grund, warum es HipHop langfristig gelingen konnte Rock als dominante Jugendkultur vollständig abzulösen. NuMetal hatte also eine musikgeschichtliche Scharnierfunktion, die eine kurze, nur wenige Jahre dauernde, aber dafür umso nachhaltigere Zäsur bildete.

Viele Impulse, die den Rock derzeit revitalisieren, gehen von Rappern aus

Heute, zwanzig Jahr später, befindet sich die Rockmusik erneut in einer ähnlichen Lage, in einer kreativen Krise, doch die Zeichen sind dieses Mal umgekehrt. Viele Impulse, die den Rock derzeit wieder revitalisieren, gehen von Rappern aus, die sich dem Rock annehmen statt wie damals, von Rockern, die sich beim Rap bedienen. So ist es ein Machine Gun Kelly, der mit seiner Interpretation von Pop-Punk für virale Erfolge sorgt oder ein Lil Yachti, der einer breiten, rein trap-affinen Zielgruppe nahezu vergessene Genres, wie den Psychadelic-Rock, näherbringt. Rock und Rap standen sich lange nicht mehr so offen gegenüber wie heute, und Limp Bizkit, die als die modernen Türöffner einer Annäherung gelten und in beiden Szenen Respekt genießen, könnten bei der Neudefinition des 2020er-Jahre-Crossovers sicherlich eine tragende Rolle einnehmen.

Mit ihrer breitbeinigen Hypermaskulinität bilden sie einen Gegenpol zu unserer hypersensiblen Gegenwartskultur. Mit ihrem derben Humor und ihrer Taktlosigkeit hätten sie die Chance noch einmal eine kulturelle Gegenerzählung zu schaffen. Und ja, auch die Befähigung, die wichtigste Währung unserer Aufmerksamkeitsökonomie zu bedienen, haben sie allemal: Sie wissen wie man beef mit anderen populären Bands beginnt. Auch wenn Slipknot sich darauf heute wohl nicht mehr einlassen würden. Limp Bizkit hätten uns im Jahr 2023 so einiges zu sagen. Die Frage ist nur: Haben sie abseits ihrer Live-Performances auch noch die Energie dafür, dass in eine neue Form zu bringen?

Durst hatte unlängst in Aussicht gestellt, dass es demnächst erneut ein Limp-Bizkit-Album geben wird. Vielleicht ist es dieses Mal ein richtiges Comeback.

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