Weshalb der Gartennazi-Feind und Sylt-Urlauber Reinhard Mey eine Deutsch-Quote braucht

In dem sehr alten, sehr schönen Film „Casablanca“ schmettern deutsche Soldaten die „Wacht am Rhein“, als Victor Laszlo, der Widerstandskämpfer, die Band anweist, die Marseillaise zu spielen, woraufhin die freie Welt einfällt. Eine glutäugige Gitarristin, ein Wiener Kellner, ein schwarzer Amerikaner, Tschechen, Ungarn und alle, die der Krieg in „Rick’s Cafe“ gespült hat. Die Wehrmacht kapituliert.

So sollte es stets sein, wenn deutsche Grusellieder in die große Welt hinaus wollen. Noch kürzlich sang der 100-jährige Greis Johannes Heesters, bekanntlich ein Holländer, zum eigenen Geburtstag ein kräftiges Stück von den Polinnen, dem Lobgesang zufolge schönsten aller Frauen (andere weibliche Landsmannschaften werden mit altdummen Klischees auf die Plätze verwiesen). Nun kann man dem moribunden Knödeltenor kaum seine Geistesdämmerung vorwerfen, doch war Heesters in den Jahren des Zweiten Weltkriegs bei Durchhaltekomödien stets mit von der Partie. Freilich konnte der Charmeur sich später nur noch dran erinnern, in schönster Gründgens-et-al-Manier „unpolitisch“ gewesen zu sein. Er musste immer ins „Maxim“. Bei Auftritten vor Wachmannschaften in Konzentrationslagern kamen unserem Jopie die Spielstätten wie ganz normale Gefängnisse vor.

100 verweht! Aber was kann die deutsche Sprache dafür, dass sie durch Kommiss, Untertanentreue, Kadavergehorsam und Völkermord keinen so guten Klang mehr hatte, obwohl Schlager und Schnulzen auch nach dem Krieg noch immer gut liefen? Erst Elvis, dann die Beatles waren allerdings eine ernste Bedrohung für die hiesige Bembelgemütlichkeit, Dylan und andere Gesellen kamen erst mal in die „Mundorgel“ fürs Jungvolk, und der deutsche Sang der Siebzigerjahre sicherte ein letztes Mal die Vormachtstellung des geistfreien, steinbiederen und hochnotpeinlichen heimischen Liedguts.

Schon viel länger hört man die Klage, es sei zu viel Fremdsprachliches im völkischen Radio zu hören – ein Argument, das ganz genauso plausibel ist wie das Verbot von „Negermusik“ durch die Nazis. Seit die „Neue deutsche Welle“ schnell verebbte, gibt es wohl noch Schwachsinn und Volksverdummung im Radio — bloß angenehmerweise meist in Englisch, das wir unangenehmerweise aber verstehen. Glücklich also jene Altvordern, die gleich nur die Landessprache gelernt haben, die aber oft auch nicht richtig.

Der Werte- und Bildungsverfall kann es kaum sein, der an sich kluge und vernünftige Menschen wie Heinz Rudolf Kunze eine so genannte Radio-Quote fordern lässt (wer hört eigentlich noch Radio?). Smash-Hits wie „Dein ist mein ganzes Herz“ und „Finden Sie Mabel“ wurden ja leider durchaus im Radio vorgestellt, spätere Kunze-Songs sukzessiv weniger. Auch kann ich mich daran erinnern, dass „Über den Wolken“ oder gar „Keine ruhige Minute“ des Beschwerdeführers Reinhard Mey noch in den frühen Achtzigern jedes Morgenprogramm des Rundfunks rockten. Das nervte, doch auch im Fall Mey gilt: Seine Lieder sind heute nicht nur weniger zu hören, sie sind auch weniger gut. Maritime Kitschballaden wie „Einhandsegler“ und „Rüm hart“ wollen gerade noch Sylt-Urlauber und alte Mey-Kombattanten hören. „Es führt kein Weg an einer Quote vorbei, wenn wir nicht einen ganzen Kultur- und Wirtschaftszweig an unterlassener Hilfeleistung eingehen lassen wollen“, jammert Mey, Streicht man das Wort „Kultur-„, wird das Ansinnen erkennbar: Auch Reinhard braucht trotz ausverkaufter Tourneen und Häuschen in Kampen noch mehr Kohle. Vorbild sei, genatil, ausgerechnet Frankreich, jene finstere Provinz, in derfremde Sprachen nicht konvertiert werden.

Zur Seite springt Mey natürlich der notorische Präsident des „Bundesverbandes mitteiständische Wirtschaft“, Monsieur Ohoven: In Deutschland stünden die kleineren Musikproduzenten am Abgrund. Dieter Bohlen? Oder jene Figuren, die Kulturgut wie Andrea Berg, Sarah Connor, Jeanette, Pur, DJ ötzi, Flippers, Schürzenjäger, Udo Jürgens, Peter Maffay, Carpendale, Claudia Jung, Nena, No Angels, Roberto Blanco, Nicole, Toni Marshall, BAP, Scorpions, Westernhagen, Guildo Hörn, Overground, Preluders, Bro’Sis, Martin Kesici und Michael Wurst produzieren? Mey aber klagt, ihm fliege „anglo-amerikanische Meterware“ um die Ohren. Zustimmung, so heißt es, komme von Udo Lindenberg, Konstantin Wecker und Wolfgang Thierse.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates