
Willanders Welt: Du hast nicht die Karten!
Ein Versuch über das Gestikulieren: Was Donald Trump meint, wenn er die Hände zusammenführt.

Im klassischen Western (und in den Filmen von Quentin Tarantino) gibt es immer eine Szene, die in einem Saloon spielt. Jemand kommt herein, sagen wir Lee Marvin, er ist ein sinistrer Schurke, er ist brutal, alle haben Angst vor ihm.
In der Küche steht der, den er sucht, ein schlaksiger, gutmütiger Mann, sagen wir James Stewart. Und Lee Marvin hat eine Bullenpeitsche und zwei Spießgesellen an der Seite. Er ist gekommen, um James Stewart zu demütigen. Stewart legt das Geschirrhandtuch weg und kommt hervor. Immerhin sprechen sie dieselbe Sprache.
Manche haben gefragt, weshalb Wolodymyr Selenskyj bei seinem historischen Besuch im Weißen Haus keinen Dolmetscher hatte. Aber Selenskyj wollte direkt sprechen. Und es ist nicht ausgemacht, dass es mit Übersetzungen besser gewesen wäre. Denn dann hätte Selenskyj noch deutlicher und gewandter sagen können, was er zu sagen hatte. Und das wurde von den Männern, die ihn im Oval Office empfingen, gar nicht gewünscht.
Donald Trump saß auf einem cremefarbenen Stuhl, ziemlich weit vorn, zum Sprung bereit. J. D. Vance saß zurückgelehnt auf einem cremefarbenen Sofa, daneben, recht schmächtig, Marco Rubio, der Außenminister. Hat Selenskyj geahnt, was bevorstand? Weshalb wurde die Presse, wurden die Kameraleute und Fotografen nicht wie üblich aus dem Raum geschickt?
Donald Trump wollte nur einen Vertrag unterschreiben
Wolodymyr Selenskyj war Schauspieler, wie man weiß, und ist Stress vor Kameras gewohnt. Aber er hatte es noch nie mit einem Schauspieler wie Donald Trump zu tun und dem ebenbürtigen J. D. Vance, und noch nie war er in einem Schurkenstück so monströsen Ausmaßes.
Der amerikanische Präsident fand zunächst warme Worte des Willkommens. Aber als Selenskyj aus einer Mappe Fotos von ukrainischen Kriegsgefangenen zeigte, wurde Trumps Miene erst gelangweilt, dann mürrisch. Er sah abgemagerte Männer. Er wollte keine abgemagerten Männer sehen. Er wollte seltene Erden. „Rare earths“ klang aus seinem Mund wie ein Computerspiel.
Trump wollte einen Vertrag unterschreiben. Er wollte einen Frieden, den er nicht garantieren muss. Die Sache ging ihm schon zu lange. Und als Selenskyj vermutete, was das amerikanische Volk (wie andere Völker auch) denke, und von versäumter Diplomatie nach 2014 sprach, explodierte Trump. „I wasn’t here“, sagte er über das Datum. Dann erging er sich in Tiraden über Hunter Biden, den Sohn von Joe, gegen den er mit Hilfe von Selenskyj Beweise sammeln wollte. Man telefonierte deshalb.
Nun wurde Trump noch wütender, weil Selenskyj sich mit Joe Biden gut verstand. Ihm fiel jetzt ein, dass Selenskyj im Wahlkampf Kamala Harris unterstützt hatte. J. D. Vance forderte Dankbarkeit von Selenskyj. Er hielt auf dem cremefarbenen Sofa die Rede von Al Pacino in „Der Pate II“: „Sie kommen hier in MEIN Haus und wagen es, SO mit MIR zu sprechen?“
Mehr von Arne Willander
- Bruce Springsteen bei der Arbeit
- Pierre M. Krause, Virtuose der Kommunikation
- Einmal Mecklenburg und zurück
- Caren Miosga, der Diskurs zur Nachtruhe
- Die Screen Actors Guild Awards sind fast so glamourös wie die Oscars
- „Loudermilk“ – Triumph der Pubertät
- Carolin Kebekus, die lustigste Frau Deutschlands
- Maischberger und ihr tolles Publikum
- Heitere Dispute mit dem „Literarischen Quartett“
- Klassiker der Kochsendungen
- Die Marschallin des Glücks
- Ernie, Bert und der Schokoladenkuchen
- „Tina mobil“ – so gut, noch in dreißig Jahren wird man an die Serie denken
- Dietmar Schönherrs „Je später der Abend“ – Pionier der Talkshow
Trump kochte jetzt, er fiel fast vom Stuhl. Die Hände führte er immer wieder zusammen und auseinander. Das ist Trumps bedrohlichste Geste. Wie ein Expander oder eine Schraubzwinge. Der rechte Zeigefinger zeigte immer wieder
in Selenskyjs Richtung. Dann wurde er tadelnd nach vorn ausgestreckt.
Einmal fasste Trump im Eifer Selenskyj an den Oberarm. „You don’t have the cards“, wiederholte er. „You’re not in the position.“ Rare earths. Vertrag unterschreiben. Schulden zurückzahlen. Die Polen bringen vier Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auf. Donald Trump mag die Polen.
„This is good television“, sagte er irgendwann mittendrin. Dann war die Episode von „The Apprentice“ abgedreht.