Replays 1 von Franz Schöler

In irgendeinem Archiv müssen also doch noch weit bessere Bänder gelegen haben als die, die bisher für CD-Wiederveröffentlichungen der EASYBEATS verwendet wurden! Denn deren jetzt veröffentlichtes Doppel-Set „The Definitive Anthology“ (Repertoire REP 4505) hält ausnahmsweise mal nicht nur, was der Titel verspricht. Es bietet auch klangtechnisch die entschieden beste Überspielqualität. 3,5

Im Fall der IAN DURY-Retrospektive „Reasons To Be Cheerful“ (Repertoire REP 4592) ist der klangliche Mehrwert relativ gering; dafür findet man hier in der sehr hübsch aufgemachten 24seitigen Broschüre so reichliche und profunde Informationen, wie man sie sonst eher von vergleichbaren EMIoder Rhino-Projekten gewöhnt ist. Komprimiert auf gut zweieinhalb großzügige Stunden Spieldauer und Song für Song vom Meister kommentiert, findet man hier tatsächlich die wichtigsten Aufnahmen aus allen Schaffensphasen von Ian Dury. 3,0

Letzteres gilt nicht für „Time Tough – The Anthology“ von TOOTS AND THE MAYTALS (Island 524 219-2/IMS). Hier fehlen nicht nur etliche der besten Aufnahmen etwa von „Reggae Got Soul“; dieses 2-CD-Set in der“Chronicles“-Serie von Polygram ist im Grunde das Sammlerteil für den Fan, der sowieso alle wichtigen Platten des Sängers von „Funky Kingston“ bis zu „Toots In Memphis“ und der „Reggae Greats „-Retrospektive im Plattenregal stehen hat. Neben unveröffentlichtein Material, entlegenen Raritäten und zumindest hierzulande nie erschienenen Aufnahmen findet man manche Frühwerke, teils von jamaikanischen Vinylpressungen transferiert (mangels nicht mehr vorhandener Bänder), teilweise auch als neue Mono-Remixes (mit entschieden mehr Baß und „Punch“ als zuvor). Einige wenige Schlampereien gestatteten sich die Herren Techniker hier beim Mastering leider auch. Vom berühmten Knast-Hit „54-46, That’s My Number“ gibt’s hier nur einen gegenüber der Version von „In The Dark“ kürzeren Mono-Mix. Und anders als auf dem „Funky Kingston „-Album (dort in Stereo!) wurde der hier überspielte Mono-Mix unsinnigerweise um mehr als eine Minute gekürzt. Trotzdem kommt das Set allein schon der vielen fabelhaften Raritäten aus den 60er und den frühen 80er Jahren wegen in puneto Sammelwert locker auf. 4,5

Ebenfalls nicht der übliche „Best of-Digest und dennoch ihre womöglich wunderbarste Platte überhaupt ist „Dreatns Fly Away -A Histmy Of Linda Thompson“ (Rykodisc/RTD 511.1379.2). Und das, obwohl die Hälfte der 20 Aufnahmen hier – darunter Demos, zwei Live-Mitschnitte und diverse Alternativ-Mixes – bislang überhaupt unveröffentlicht war. Von LINDA THOMPSONS einzigem Solo-Album „One Clear Moment“, 1985 ein ziemlicher kommerzieller Flop und nie auf CD erschienen, findet man zwei der drei Aufnahmen auch ab Remixes. Vom zweiten nie veröffentlichten gibt es hinreißende Kostproben, nach denen man sich fragt, warum die Sängerin nie mehr ein weiteres Solo-Projekt fertigstellte. Aus den sechs LPs, die das Ehepaar Thompson in zehn Jahren gemeinsam einspielte, findet man rund ein halbes Dutzend von Richards besten Songs aller Zeiten; „Dimming Of The Day“ in brillanter Neuaufnahme; und den Gitarristen bei manchen Soli in Über-Form. Eine ideale Ergänzung zu dessen „Watching The Dark“-Box-Set, enthält „Dreams Fly Away“ übrigens ebenfalls einige der vormals ins Archiv verbannten, weil verworfenen Gerry-Rafferty/Hugh-Murphy-Produktionen zum „Shoot Out The Lights“-Meisterwerk. Ihre hier erstmals zu hörende Interpretation von „Walking On A Wire“ findet Linda T. weit besser als die schließlich auf dem Album veröffentlichte. Leider wird das mutmaßlich die letzte „history of Linda Thompson“ bleiben: Die Sängerin hat panische Angst davor entwickelt, jemals wieder singen zu müssen. 5,0

Den pseudonymen Johnny Rotten hat es wiederum noch nie gestört, daß er kein begnadeter Sänger war. Seine Fans wie auch Legionen von Epigonen genauso wenig. Darum gibt es das Debüt der SEX PISTOLS jetzt rechtzeitig zusammen mit der Ur-Version von „Never Mind The Bollocks „und jeder Menge Demos auf einer zweiten CD als aufgemachte Jubiläumsedition: das Neue Testament des Punk-Rock und damit 5,0

Weithin kraß unterbewertet war „The Muddy Waters Woodstock Album“ (Chess MCD 09359/ARIS), die letzte Platte des Blues-Giganten für Chess Records. Erklärtermaßen die „LP aller LPs“ für Band-Schlagzeuger Levon Helm (kein Wunder, weil der hier wie auch die Kollegen Garth Hudson und Paul Butterfield mit von der Partie war, um ihn wenig später zum „Last Waltz“ einzuladen), bekam MUDDY WATERS für diese doch immerhin den zweiten „Grammy“ seiner Karriere. Erstmals auf CD zu haben, gibt es als Zugabe das bislang noch nie veröffentlichte „FoxSquirrel“. 3,5

Gekoppelt mit „Muddy Waters LiVe“(im)uni 1971 mitgeschnitten) ist auf derselben CD kürzlich das legendäre „Muddy Waters At Newport“ von 1960 wiederveröffentlicht worden, jenes Album, dessen historische Folgen (für Animals, Rolling Stones, Them, Yardbirds und andere) überhaupt nicht überbewertet werden können. Äußerst peinlich nur: Bei den hier überspielten Versionen von „I’m Your Hoochie Koochie Man“ und „Baby, Please Don’t Go“ handelt es sich nicht um die originalen Stereo-Mitschnitte des Folk-Festivals, sondern absolut obskure, nachträglich dilettantisch reingeflickte Mono-Bänder. Insgesamt klingt die Überspielung ganz vorzüglich. Aber dafür gibt es bis zur Korrektur dieser Stümperei einen Punktabzug: 4,0! (BGOCD 314/TIS)

Um Welten besser als bisher auf der gewöhnlichen Aluminium-CD klingt einschließlich der drei Bonus-Tracks die Gold-Remaster-Version der schon legendären „London Howlin‘ Wolf Sessions“ (MCA CHD-9351). 4,5

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