American Beauty

Der musikalische Traditionalist Danny Dziuk gehört schon lange zu den originellsten deutschen Geschichtenerzählern

Das hätte Danny Dziuk sich vermutlich auch nicht träumen lassen, daß ausgerechnet der Song, in dem er sich über das unreflektierte Späthippie‘ und Kiffertum lustig macht („Machen wir gemeinsam ’ne Dose Leinsamen auf oder doch nur wieder Psychoquark?“), schließlich eine Art Kommentar zur deutschen Bundestagswahl lieferte: „Down In Jamaica“ (viele werden sich nicht mehr erinnern, aber die kleine Inselrepublik war der Knüller bei der Wahlberichterstattung).

„Politisch“ ist für Dziuk allerdings eher ein Reizwort. Vermutlich, weil es seit und nach Rot-Grün noch ein bißchen mehr nach verratenen Idealen und unredlichem Machtstreben klingt und Dziuk ganz genau weiß, daß die Ehe zwischen Politik und Kunst eine recht unglückliche ist. Auch wenn er – wie er selbst sagt – manchmal nicht davon lassen kann. So arbeitete er sich in „Wie lang, wie lang“ von seinem 99er Album „Vom Tisch“ eigentlich an allen Themen ab, die für einen politisch und gesellschaftskritisch motivierten Song in Frage kommen: Aufgehängt an der durch Martin Walser ausgelösten Debatte zur deutschen Vergangenheitsbewältigung, bezog er Stellung zu rechter Gewalt, Kapitalismus, Alt-68ern, linkem Heuchlertum und Holocaust. Das Resultat war eine vierzehnminütige Litanei.

Ein untypisches Lied für Dziuk, denn seine topical songs folgen in der Regel nicht der Logik der Argumentation, sondern der des Storytelling – und die ist bei ihm mittlerweile ebenso wichtig wie die Musik, so erzählt er mir in einem Cafe bei ihm zu Hause in Kreuzberg. „Meine Betonung läuft immer mehr auf die Texte zu. Ich verwende Musik zunehmend als Grundlage zum Geschichtenerzählen.“

Und fürwahr sind es erst einmal die Geschichten, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn man das dritte Album seiner Band Dziuks Küche, „Gebet & Revolver“, hört. Erst wenn man das obligatorische Textblatt einmal zur Seite legt, stellt man fest, wie reich und bei aller 7OS-Nostalgie in Wort und Ton deep dieses Album eigentlich ist. „Es sind trotz meiner Konzentration auf die Texte auch ein paar musikalische Aspekte hinzugekommen. Zum Beispiel Jazz. Nina Simone, Thelonious Monk oder Mark Ribot. Solche Sachen kann man deutlich hören, und die vermischen sich auf eine sehr leichte Art.“

Und trotz aller Jazz-, Country- und Folkreferenzen wirkt es wie selbstverständlich, daß er seine Texte dazu in deutscher Sprache vorträgt. Mal nölend, mal bissig, mal verschmitzt aber immer irgendwie natürlich fließend. „Ich habe die Diktion der Sprache quasi angepaßt, hab die Silben verschliffen, das kommt bei mir nicht irgendwie peinlich oder so, daß man denkt: Was meint der denn jetzt?‘ Es war ein langer Weg dorthin. Unter dem Namen Danny Deutschmark hat Dziuk schon in den 7oern und 8oern bei Albert Mangelsdorff, Chuck Johnny & The Drivers und Klaus Lage (für den er den Song „Desperado“ schrieb) gespielt. Als Solokünstler machte er Ende der 80er erste Alben, die er heute als Jugendsünde“ bezeichnet. Hatte immer auch Kontakte. Letztes Jahr tourte er mit David Schools von Widespread Panic, Jerry Joseph und Eric McFadden als Stockholm Syndrome durch die USA. Außerdem schreibt er ab und zu Songs mit dem Kamikazekolumnisten Wiglaf Droste, den er dafür bewundert, „daß der mir Sachen sagt, die sich andere nicht trauen, und zeigt, daß man damit durchkommt, wenn man halbwegs Talent hat“.

Da ist es ein bißchen schade, daß Dziuk für viele immer noch vor allem der Keyboarder bei Stoppok ist, obwohl er den Job längst quittiert hat und seine Songs schon damals lyrisch soviel zwingender und musikalisch soviel stilsicherer waren als die des Manns aus dem Ruhrgebiet. „Im Gegensatz zu Stoppok bin ich jemand, der auf sowas wie Roots-Musik zurückgreift, während er eher freischwebend ist. Ich weiß immer, wovon ich ausgehe. Das Meiste davon ist anglo-amerikanisch, wofür ich mich mit 20 bewußt entschieden habe, weil ich ein zu großes Mißtrauen gegenüber europäischer Kultur und der Klassik, von der ich eigentlich komme, hatte. Lag wohl noch an den Nazis, denen man damals noch überall begegnete und daran, daß mein Musiklehrer mich verdammt an Hermann Göring erinnert hat. Da guckt man dann halt nach Amerika.“

Und da ist er nun nach einer langen Reise musikalisch angekommen.

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