b-b-thornton – interview

Entweder er ist auch ohne Kamera ein brillanter Schauspieler - oder Billy Bob Thornton balanciert tatsächlich auf dem Drahtseil. Am Abend, beim Konzert im Hamburger "Schlachthof, war der Mann aus Hot Springs/Arkansas schon wieder zu Scherzen aufgelegt, bei einer mittäglichen Gesprächsrunde im Hotel nagte noch die große Depression an ihm. Vbll bitterem Selbstzweifel degradierte sich der 46-jährige Regisseur ("Sling Blade"), Schauspieler ("The Man Who Wasn't There") und Songschreiber da selbst zum ewigen Loser "Private Radio ", sein Album, "war tot, noch bevor es gemacht wurde", er sei "sehr müde" und "bereit, aufzugeben". Eine starke Partnerin wie Angelina Jolie hilft da auch nicht weiter. Thornton: "Jeden Abend reichen mir Leute Briefe und Dinge auf die Bühne - alles nur für sie." Die Liebeserklärung "Angelina" hat er dann trotzdem gesungen. Und den Titelsong seines Albums mit den Worten angekündigt, er habe sein ganzes Leben Selbstmordgedanken gehegt - zumal nach dem plötzlichen Tod seines jüngeren Bruders Jimmy Don 1988. Zwei Wochen zuvor, beim offiziellen Promo-Termin, plagte Billy Bob Thornton aber nur ein bisschen Heuschnupfen.

Ihr wichtigster Partner auf „Private Radio“ ist Produzent Marty Stuart, der einst als Gitarrist bei Lester Flatt und Johnny Cash anfing. Ist es wichtig für Ihre Beziehung, dass er wie Sie aus dem Süden, aus Mississippi stammt?

Oh, absolut! Man liefert seine beste Arbeit, wenn man von zu Hause erzählt. Weil man das am besten kennt. Ich lernte Marty auf dem Set von „Primary Colours“ kennen, wo er über Songs zum Film verhandelte. Wir hatten schnell dieselbe Wellenlänge. Marty und ich sind mit der Musik aus dem Süden aufgewachsen, da braucht’s keine Erklärungen.

In Filmen wie „Sling Blade“ haben Sie versucht, die Stereotypen über den US-Süden zu erschüttern, die auch Nashville gern produziert. Sehen Sie da Parallelen?

Ja, es war mir immer wichtig, diese Klischees in Frage zu stellen. Das erwarte ich von jedem, dem was an seiner Heimat liegt. Es gibt gute wie schlechte Dinge im Süden, und das sollte man zeigen. Viele Filme heute beschränken sich nur auf eine Seite. Ich wuchs ja ohne Kino auf, irgendwo in den Wäldern, beschränkt auf Bücher und Musik. Aber es geht immer darum, eine Geschichte zu erzählen. Die Tradition des Erzählens ist im Süden sehr stark. Ich bin ein Storyteller – in meinen Filmen und auf dieser Platte.

Hollywood und Nashville verwerten diese Geschichten, von der Unterhaltungsindustrie dominiert, von Geld und Ehrgeiz. Hier wie dort schlüpft gelegentlich einer wie Sie durch die Mainstream-Maschen. Sehen Sie trotz dieser Gemeinsamkeiten auch Unterschiede?

Technologisch natürlich, aber mein Bauch reagiert gleich: Nashville und L.A. sind für mich die mit Abstand unangenehmsten Städte. Weil die Industrie dort Zynismus, Abstumpfung und Gier produziert. Ich lebe in Los Angeles, weil meine Kinder (eine Tochter aus der ersten Ehe, zwei Söhne aus der vierten) dort zur Schule gehen. Unser Haus dort liebe ich auch. Aber Hollywood findet ohne mich statt. Und Nashville genauso. Es gibt viel Dunkelheit an diesen Orten, viele traurige Menschen. Also lebe ich abseits der Regeln, die diese Städte definieren. Meine Platte ist ja auch keine richtige Country-Platte. Jedenfalls nicht laut der aktuellen Definition (grinst).

Sie sagten mal, Schauspielerei hätte Sie gereizt, weil Sie da jeden darstellen könnten – außer sich selbst. Mit der Musik scheint genau das Gegenteil der Fall zu sein…

Ja, das stimmt Musik ist sehr persönlich für mich. Es gibt da keine Charakterriege, kein Ensemble. Was befriedigender ist: Ein Film kommt ein Jahr nach dem Dreh raus, und du bist nicht dabei, wenn die Leute ihn sehen. Hier kann ich eine Platte machen, die Songs live singen, und die Leute unmittelbar mitnehmen. Was natürlich auch Furcht erregender ist (lacht).

Der Song „Beauty At The Backdoor“ hat große kinematographische Qualitäten. Es stellt sich sofort ein Gefühl für diesen Ort ein. War diese Verschränkung beabsichtigt?

Nein, das ergab sich einfach so, spät nachts im Studio. Eigentlich rühre ich seit sechs Jahren keinen Alkohol mehr an. Aber an dem Abend hatte ich ein paar Bier (lacht), und Marty sagte: Warum erzählst du nicht von dem Ort, wo du aufgewachsen bist? Auf der Platte ist genau das drauf, was mir da gerade in den Sinn kam. Erster Take. Als Schauspieler verlasse ich mich auch gern auf Improvisation. Meine Kollegen werden ziemlich nervös, wenn ich mitten in einer Szene Dinge sage, von denen sie keinen blassen Schimmer haben.

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