Der traumgefärbte Americana-Rock von My Morning Jacket klingt manchmal nach Neil Young, manchmal nach singenden Handpuppen

Ist „It Still Moves“ von My Morning Jacket die erste American-Rock-Platte für Kinder? Mit drei (also vor 22 Jahren) sah Sänger und Songschreiber Jim James „The Wonderful World Of Disney“ im Fernsehen, hörte Jiminy Grille „When u Wish Upon A Star“ singen, den Chor im Echohall hoch wie das Sternenzelt, und musste weinen.

Und er erinnert sich daran so, wie man sich an die vier, fünf Momente beim Heranwachsen erinnert, in denen die Musik plötzlich den wichtigsten Platz im Leben einnimmt. Den Hall hat er bei Roy Orbison wiedergefunden und in der Kuppel des Getreidesilos auf einer Farm in Kentucky, wo seine Band probte. James schreibt Kinderlieder über den Schmerz und die Erlösung. Kritiker aus dem englischsprachigen Raum, wo auch die Muppets Platten veröffentlicht haben, sagen sogar, dass My Morning Jacket wie musizierende Handpuppen klingen. Oder sie spielen auf die langen Haare der Band an und vergleichen sie mit Südstaaten-Rockern und mit Neil ung (obwohl dessen Haare viel kürzer sind – er klang aber wirklich mal wie My Morning Jacket).

My Morning Jacket machen einen in dieser Beziehung noch sprachloser als neulich die Kings OfLeon. Sie kommen zweifellos mit demselben Förderband, das seit Jahren junge Gruppen bringt, die hoch traditionellen amerikanischen Pop spielen. Ein einziges Stück der neuen Platte (oder der ersten beiden, „The Tennessee Fire“, 1999, und „At Dawn“, 2001) genügt schon, um einen in Gedanken weit wegzuziehen vom bebaubaren Land, wo irgendwas Wurzeln (Country, Folk, Blues) schlagen kann. In den Himmel. In die Wüste, bei Nacht, wo James‘ Hall-Gesang klingt, als ob man sich von Weitem einer einsamen Feuerstelle nähert. An den Boden des großen Canyons, mit dem Blick in die Sternbilder. Die Gegenwart einer Band, die vielleicht schwitzt und Whiskey trinkt, kann man sich beim besten Willen nicht vorstellen – die Musik ist Material für die Fantasie, und dass die menschliche Fantasie manchmal mit Klischees aus Western und Kinder-Idyllen arbeitet, weiß jeder.

Jim James sagt, er kann bei Plattensessions nur singen, wenn er die eigene Stimme über Kopfhörer mit Hall hört. Er fühlt sich dann wie ein Superheld oder ein EngeL Als er für die „Chocolate And Ice“-EP „Cobra“ aufnahm, einmal ohne die anderen, wurde es 24 Minuten lang (psychedelisch!):

„Ich habe nicht mehr an den Songtext gedacht, ich habe es genossen, als Musiker quasi ins Nichts zu verschwinden.“ Rein technisch sind My Morning Jacket zwar eine gewöhnlich arbeitende Countryrock-Band, sie kennen aber den entrückenden, kindlichen Zauber, den ihre Platten verstrahlen, zumindest James kennt ihn.

Ihr Quartier auf der Farm des Großvaters von Gitarrist Johnny Quaid (James‘ Cousin) liegt in Shelbyville bei Louisville/Kentucky. Shelbyville – so heißt auch bei den „Simpsons“ die Nachbarstadt. „Es gibt Gerüchte“, flüstert James, „dass Springfield eine Parodie auf Louisville ist.“ Mit der Szene in Louisville, wo Slint den Post-Rock posteten und Will Oldham den Folk neu machte, haben sie keine Berührungen. „Als wir anfingen, war das eine von sich selbst faszinierte, geschlossene Gemeinschaft. Eine große Modenschau, bei der alle versuchten, möglichst keinen Spaß zu haben. Wir wollten nicht etwa eine Gegenreaktion starten, wir spielten einfach nur mit anderen Leuten.“ Was dann geschah, ist im Prinzip nur die typische Indie-Rock-Geschichte (Band spielt viel, veröffentlicht hier und da, hat exotischen Überraschungserfolg in – Holland und Belgien). Ein gutes Wort von Foo Fighter Dave Grohl brachte am Ende mehr als die gesamten Promo-Bemühungen aller ihrer Mini-Labels: My Morningjacket werden jetzt über die RCA vertrieben und konnten beim Festival in Glastonbury Tausenden von Engländern zeigen, was passiert, wenn sie für die Bühne ihre Haargummis lösen und – von langen Reisen und Soundchecks ungeduldig und emotional ausgehungert – wie Led Zeppelin hardrocken. Fast nicht wiederzuerkennen. Sie überzogen die Zeit, man stellte ihnen den Strom ab. „Wir haben das kaum registriert, weil wir out in Space waren“, sagt James. „Ich habe mich umgedreht, da trugen Leute unsere Verstärker von der Bühne.“ Und der Hall ging weg.

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