Ein Leben ohne Rottöne

Nach dem Ende von Simply Red will sich Mick Hucknall seinem britischen Erbe widmen.

Simply dead: Nach 25 Jahren und 50 Millionen verkauften Alben trägt Mick Hucknall seine One-Man-Band zu Grabe. Zum Abschied gibt es einen Konzertmitschnitt aus Sydney, wo der Rotschopf aus Manchester seine größten Hits singt. Diese sind trotz des US-amerikanischen Soul britische Ikonografien wie die von Elton John und Phil Collins – allgemeingültig, alltäglich, volksnah. Das letzte Konzert wurde zum nationalen Ereignis und landesweit in Kinosälen übertragen. Das Ende ist auch ein Anfang: Hucknall will aus dem zu eng gewordenen Simply-Red-Korsett, um andere musikalische Vorlieben entfalten zu können.

Herr Hucknall, ist Simply Red zu einem guten Ende gekommen?

Ich denke schon. Wir wollten uns mit der Tournee in angemessener und stilvoller Weise von unserem Publikum verabschieden. Deshalb die Konzerte und die DVD. Einfach nur zu verschwinden, wäre nicht fair gewesen.

Wie emotional waren diese Konzerte für Sie?

Das Gute an meinem Beruf ist, dass ich meiner Musik immer acht, neun Monate voraus bin. Wenn etwas veröffentlicht wird, habe ich die neuen Lieder längst geschrieben. Als wir auf diese Tournee gingen, hatte ich Simply Red bereits verlassen und mich in meine Zukunft vertieft. Es war also nicht so wahnsinnig emotional. Außerdem singe ich die Lieder schon so lang, das ist für mich wie Fish and Chips. Ich konzentriere mich darauf, die Leute zu unterhalten und ein guter Bandleader zu sein.

Lassen Sie mit Simply Red mehr zurück als nur den Namen?

Ich lasse auch die Musik zurück, die mit diesem Namen verbunden ist. Wenn du mit etwas erfolgreich bist, landest du in einer Schublade. Du hast einen erkennbaren Sound geschaffen und Musik geschrieben, die diesen Sound bedient. Danach ist alles Wiederholung. Ich wollte das so, weil ich ein sehr zielgerichteter Mensch bin. Aber ich habe dabei viel andere Musik in mir unterdrückt.

Welche Art Musik werden Sie in Zukunft machen?

Ich möchte den afro-amerikanischen Einfluss reduzieren und mich meinem britischen Erbe widmen. Die Beatles, die Stones, die Faces, das waren meine Helden.

Die Musik von Simply Red ist weitestgehend eine Hommage an den US-amerikanischen Soul und R&B der 70er-Jahre. Wo ist die Brücke zu dem Arbeiterklasse-Jungen aus Manchester?

Die schwarzen Musiker jener Zeit haben ihre Inspiration aus Menschen wie Martin Luther King geschöpft. Sie wollten mit ihrer Musik zeigen: Wir haben Würde, wir haben Stil. Die- se Einstellung ist auch in meinem Charakter angelegt – ich bin in sehr armen Verhältnissen aufgewachsen, aber wir haben immer unseren Kopf hoch gehalten und großen Wert auf gute Manieren gelegt.

Man sieht bei ihren Konzerten, dass das Publikum das versteht: den Respekt, das Förmliche. Die Menschen tanzen paarweise, nicht allein.

Das gefällt mir, sehr schön.

Sie haben im vergangenen Jahr gleich mehrere Preise für Ihr Lebenswerk bekommen. Zu früh?

Preise, Preise, meinetwegen. Man sagt, dass man sich geehrt fühlt, und das stimmt ja auch. Das darf aber nicht meine Inspiration sein. Ich habe noch dieselbe Leidenschaft für Musik wie am Anfang meiner Karriere.

Man hat sich immer gefragt: Ist Simply Red eine Band oder ein Solokünstler?

Ich würde sagen, wir waren eine Band mit einem Bandleader. Wie bei einem Orchester: Glen Miller hat man ja auch nicht gefragt, ob er in einer Band spiele. Ich war nun mal der, der die Songs geschrieben und alles nach vorn gebracht hat. Ich hatte keinen Plan zur Übernahme der Weltherrschaft im Kopf, aber ich wollte mich auch nicht aufhalten lassen. Ich verstehe diesen romantischen Gedanken der Kameradschaft in einer Band. Aber ich hatte keinen John, Paul oder Keith, mit dem ich hätte schreiben können. Also habe ich es allein gemacht.

Bedeutet das Ende von Simply Red nicht auch, dass Sie sich ein bisschen zur Ruhe setzen?

Nein. Sieben neue Songs sind fertig aufgenommen, fünf sollen noch dazu- kommen. Es ist nur die Frage, was ich damit mache. Ich bin noch dabei, mir meine Zukunft auszumalen. Das ist wie eine zweite Karriere – ich könnte es mir leicht machen und alle drei Jahre Arenen bespielen, „Holding Back The Years“ singen und viel Geld verdienen. Aber ich muss in Bewegung bleiben. Jörn schlüter

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