Grammys 2023: Die besten, schlechtesten und seltsamsten Momente des Abends

Bad Bunnys fulminanter Auftritt, Kim Petras' kraftvolle Rede und eine spektakuläre Hommage an den Hip-Hop haben den Abend besonders gemacht.

Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als die Grammys langweilig waren? Heutzutage fällt das schwer. Seit ein neues Kreativteam unter der Leitung von Produzent Ben Winston im Jahr 2021 das Ruder übernommen hat, ist die Show unterhaltsamer geworden und die diesjährige Übertragung war fast schon schockierend gut produziert – eine Hommage an das Beste, was die Musik derzeit zu bieten hat, und gleichzeitig ein Schlag ins Gesicht jedes rechten Kulturkriegers, der beim ersten Hören von „Unholy“ einen Nervenzusammenbruch erlitt. Natürlich wäre es keine Grammys-Show ohne ein paar geschmacklose, schnarchige oder einfach nur rätselhafte Entscheidungen. Aber davon gab es wenig und dafür kann man den Grammy-Göttern danken. Hier sind die besten, schlechtesten und seltsamsten Momente der 65. jährlichen Grammy-Verleihung.

Grammys 2023: Trevor Noah zeigt sich von seiner besten Seite

In der Flut von cleveren Witzen, mit denen die ersten Grammys seit drei Jahren wieder in der Crypto.com Arena eröffnet wurden, schrieb Trevor Noah Beyoncés „Break My Soul“ zu, dass der Song im Dezember seinen Ausstieg aus der „Daily Show“ inspiriert habe. Vielleicht hat ihm dieser Schritt Zeit gegeben, seinen bisher besten Eröffnungsmonolog für die Preisverleihung zu perfektionieren. Er kündigte Lizzo als „die berühmteste Flötenspielerin seit…“ an, bevor er frech hinzufügte: „…ich bin sicher, es gibt noch andere.“ In einer Passage, die ein wenig an den Rolling Stone erinnert, lobte er Harry Styles: „World’s Sexiest Man. Machst du Witze? Keine Konkurrenz! Sexsymbol der Welt – vor allem jetzt, wo sie das grüne M&M abgeschafft haben.“ Taylor Swift gestand er, dass er ihren Song „Anti-Hero“ liebt, in dem es natürlich um seine Lieblingstante Beatrice geht. Und er überraschte Adele mit einem Cameo-Auftritt ihres Helden, Dwayne „The Rock“ Johnson. So sorgte der Comedian für einen großartigen Start in den Abend.

Bad Bunny bringt puerto-ricanisches Flair zu den Grammys

Der Superstar bediente sich der Energie traditioneller Prozessionen und Feste in Puerto Rico, als er zu Beginn seines Auftritts durch das Publikum marschierte, gefolgt von einer Parade von Tänzern und Musikern. Er begann mit den ersten Zeilen von „El Apagón“, seiner Hymne an die Puerto Ricaner, bevor er für den Merengue/Mambo-Hit „Después De La Playa“ alle Register zog. Die Bühne füllte sich mit Dutzenden von Merengue-Tänzern und dominikanischen Instrumentalisten der Band Dahian El Apechao, während sich cabezudos – Figuren mit riesigen Köpfen, die bei puerto-ricanischen Festen üblich sind – unter die Menge mischten und Ikonen wie Tego Calderón und Ismael Rivera darstellten. Der Auftritt war einer der lebhaftesten und energiegeladensten des gesamten Abends – und er zeigte den puerto-ricanischem Stolz und die kulturelleren Besonderheiten, die Bad Bunnys rekordverdächtige Karriere geprägt haben.

Kim Petras schreibt Geschichte

Als Sam Smith und Kim Petras die Bühne betraten, um ihren Preis für die beste Pop-Duo/Gruppen-Performance für „Unholy“ entgegenzunehmen, stand der vierfache Gewinner einige Meter hinter dem Mikrofon, um der erstmaligen Gewinnerin Platz für eine geschichtsträchtige Rede zu machen. „Sam wollte, dass ich diesen Preis entgegennehme, weil ich die erste Transgender-Frau bin, die diesen Preis gewinnt“, sagte Petras, die ihr Gesicht mit einem Madonna-ähnlichen Schleier verhüllte. In ihrer aufmunternden Rede bedankte sie sich unter anderem bei Madonna, die den Weg zu diesem Moment geebnet hat. „Ich möchte all den unglaublichen Transgender-Legenden vor mir danken, die diese Türen für mich aufgestoßen haben, damit ich heute Abend hier sein kann“, sagte sie. „Und besonders Sophie, meiner Freundin, die vor zwei Jahren verstorben ist. Sie hat mir gesagt, dass dies passieren würde und hat immer an mich geglaubt. Und meine Mutter hat mir geglaubt, dass ich ein Mädchen bin, und ohne sie und ihre Unterstützung und alle, die bis zu diesem Punkt an mich geglaubt haben, wäre ich nicht hier.“

Beyoncé und Bad Bunny scheitern am Album des Jahres

2023 sollte eigentlich das Jahr sein, in dem Beyoncé endlich ihren Award für das Album des Jahres bekommt, vor allem, nachdem sie den Rekord für die meisten Grammy-Gewinne in der Geschichte der Show gebrochen hat. Queen Bey hat diese hohe Auszeichnung trotz einer mehr als 25-jährigen Karriere mit großen Hits und kulturprägender Musik noch nie erhalten. Renaissance, ihre fachmännisch kuratierte Hommage an die Geschichte der Tanzmusik, hätte dies tun können. Aber es reichte nur für den Sieg in der Kategorie Best Dance/Electronic.

Ein weiterer Top-Anwärter auf das diesjährige „Album of the Year“ war Bad Bunny, der seit Jahren Streaming-Rekorde bricht und mit seinem letztjährigen Album „Un Verano Sin Ti“ Superstar-Status erreichte. Es schrieb Geschichte als das erste nicht-englischsprachige Album, das jemals für das Album des Jahres nominiert wurde, und ein Sieg hätte mit Sicherheit Barrieren für Latinos und andere nicht-englischsprachige Künstler niedergerissen. Aber auch in der Kategorie Bestes Música-Urbana-Album konnte er es nicht weiter bringen.

Die Grammys hatten zwei Chancen, mit dem Album des Jahres Geschichte zu schreiben, und entschieden sich stattdessen dafür, zwei für die Generation wichtige Künstler in den Genre-Kategorien auszuzeichnen. Es war ein enttäuschender Moment, der einen ansonsten spektakulären Abend mit einem bitteren Beigeschmack beendete.

Was auch immer diese Fan-Roundtable-Skits zu bedeuten hatten

Immerhin: Die Leute waren liebenswert. Eine siebzigjährige Großmutter, die als Harry Styles‘ selbsternannter größter Fan durch das Land reist. Eine sich als queer identifizierende Latina, für die Bad Bunnys Megastar-Status ein Zeichen ihrer eigenen Akzeptanz ist. Aber an dem Abend, an dem sich die größten Stars der Musikszene im selben Raum versammeln, dachten die Grammy-Produzenten, wir würden lieber etwas Zeit mit einer Gruppe von Superfans verbringen, die ihre lauwarmen Gedanken zum Album des Jahres äußern. Eine Gruppe, die sich um einen runden Tisch versammelt, wie politische Experten, die in der Wahlnacht aufgewärmte Ansichten zum Besten geben. Wenn man bedenkt, wie viele Aufnahmen von Dwayne Johnson, der… buchstäblich alles im Publikum macht… wir in dieser Zeit hätten sehen können!

Ein halbes Jahrhundert Hip-Hop-Hits im Rampenlicht

Bei den Grammys wurde dem Hip-Hop endlich der gebührende Platz eingeräumt, und zwar mit einem Medley aus Auftritten von mehr als zwei Dutzend genreprägenden Rappern, deren Hits bis zu den Anfängen des Hip-Hop vor 50 Jahren zurückreichen. Beginnend mit Grandmaster Flashs „Flash to the Beat“ und „The Message“ gab eine Legende nach der anderen einige ihrer größten Hits zum Besten: Run-DMC, LL Cool J, Salt-N-Pepa, Rakim (mit einem umwerfenden „Eric B for President“), Public Enemy, Scarface, Ice-T, Queen Latifah, Missy Elliott, Too Short, bis hin zu den neueren Hits von Lil Baby und Glorilla. Fast jeder Auftritt war ein Highlight, aber Busta Rhymes‘ Tempolimit sprengendes Mundwerk war buchstäblich atemberaubend.

Brandi Carlile rockt

Brandi Carlile wird der Americana- und Country-Musik zugeordnet, aber wir sollten in Erwägung ziehen, sie auch im Rock & Roll zu verorten. Carlile heizte den Grammys mit ihrer fulminanten Darbietung von „Broken Horses“ ein, das zuvor in den Rock-Kategorien einige Grammys erhalten hatte. Unterstützt wurde sie dabei von einer Band, zu der Shooter Jennings am Klavier und das Duo Lucius gehörten. „Broken Horses“ hatte viel Volumen und Gitarrenriffs, aber der Star der Show war zweifellos Carliles gewaltige Stimme – gefühlvoll, leidenschaftlich und intensiv. Es war ein aufregender Tempowechsel für die Singer-Songwriterin, der uns hoffen lässt, dass sie ein komplettes Rockalbum aufnehmen wird.

Bonnie Raitt gewinnt den Song des Jahres

Um es ganz klar zu sagen: Bonnie Raitt ist eine absolute Legende. „Just Like That“ ist ein hervorragender Song, und es ist erstaunlich, dass sie als erste Frau über 50 den Song des Jahres in der Geschichte der Grammys gewonnen hat. Dennoch war es ein typischer Grammy-Fehler, ihr den Preis vor den beliebten zukünftigen Klassikern von Taylor Swift, Harry Styles, Kendrick Lamar, Beyoncé und den anderen Nominierten zu geben, und einer, der höchstwahrscheinlich von der Bekanntheit des Namens bei älteren Grammy-Wählern angetrieben wurde. Man konnte an Bonnie Raitts fassungslosem Gesichtsausdruck erkennen, dass selbst sie über den Sieg verblüfft war. Es war wie ein Flashback zu den Grammys 2008, als Herbie Hancock für „River: The Joni Letters“ das Album des Jahres gewann – vor Amy Winehouse mit „Back to Black“. Wir dachten, die Grammys hätten solche bizarren Entscheidungen hinter sich gelassen, aber anscheinend ist dem nicht so.

Ein bewegendes „In Memoriam“-Segment

Das „In Memoriam“-Segment bei den Grammy Awards kann ein schwieriges Unterfangen sein, aber dieses Jahr haben sie es mit den Auftritten irgendwie richtig gemacht. Zunächst coverte Kacey Musgraves Loretta Lynns „Coal Miner’s Daughter“ (in voller Länge!). Als Nächstes trieb Quavo vielen Tränen in die Augen – mit einem wirklich schönen Tribut an seinen Migos-Bandkollegen Takeoff. Weiter ging es, als Crosby, Stills und Nashs „Guinnevere“ zu Ehren von David Crosby gespielt wurde. Dieser starb erst vergangenen Monat im Alter von 81 Jahren. Den Abschluss bildete Mick Fleetwood, der „Songbird“ für seine Bandkollegin Christine McVie spielte, die im November im Alter von 79 Jahren verstarb. Für den „Rumours“-Klassiker – ein Album, das diese Woche 46 Jahre alt wurde – holte er sich Bonnie Raitt und Sheryl Crow als Sängerinnen. In einem Segment, in dem oft wahllos Namen über den Bildschirm flimmern, wirkte dies wie eine wohldurchdachte Präsentation.

Die Grammys vergessen aber auch fast jedes Jahr wichtige Menschen. Besonders ungeheuerlich war, dass Three 6 Mafias Gangsta Boo und Low-Sängerin/Drummerin Mimi Parker übersehen worden sind. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, wurden auch Aaron Carter, Gary Brooker von Procul Harum, der Sixties-Folk-Sänger/Songwriter Bobby Neuwirth, die Sängerin Lucy Simon, Nazareth-Frontmann Dan McCafferty und Schlagzeuger Alan White, der sowohl bei Yes als auch bei John Lennons Plastic Ono Band spielte, nicht erwähnt.

Stevie und Smokey’s Motown Power

Taylor Swift schunkelte zu „The Way You Do the Things You Do“, Brandi Carlile wippte zu „Tears of a Clown“ mit und Flavor Flav drehte bei „Higher Ground“ völlig durch. Siebeneinhalb Minuten lang führte Stevie Wonder durch eine Hommage an den Gründer von Motown Records, Berry Gordy, und den einzigartigen Smokey Robinson – beide erhielten die Auszeichnung „Person des Jahres“ für die gemeinnützige Organisation MusiCares bei den Grammys.

Das Schlimmste: Harry Styles ist doch ein Mensch

Selbst die größten Harry-Fans müssen zugeben, dass unser Mann bei den Grammys ein wenig energielos wirkte. Zu Beginn der Show nahm er den Preis für das beste Pop-Gesangsalbum entgegen; während sein Outfit glänzte, wirkte der strahlende Popstar wie ausgelaugt und bedankte sich mit ruhiger, rauer Stimme bei der Recording Academy für seine Auszeichnung. Später war seine Darbietung von „As It Was“ nicht viel munterer. Als Performer war Styles schon immer für die Art von Energie bekannt, die selbst den schwächsten Song pushen kann – und das stärkste Album zum Blühen bringt. Aber am Sonntag fehlte Styles die Starpower, die er normalerweise aufbringt. Es kann nicht einfach sein, so lange zu touren, wie Styles es in letzter Zeit getan hat. Der Sänger absolvierte kürzlich 15 ausverkaufte Shows im kultigen Kia Forum in Los Angeles. Aber an einem Abend, an dem er den begehrten Preis für das Album des Jahres entgegennahm, zeigte Harry Styles, dass er auch nur ein Mensch ist.

Aus dem Amerikanischen übersetzt von rollingstone.com

Emma McIntyre Getty Images for The Recording A
VALERIE MACON AFP via Getty Images
Kevin Winter Getty Images for The Recording A
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