Gunter Blank geht essen: Ode an den Weihnachtsbraten

Der Kreuzberger Koch und Metzgermeister Wolfgang Müller hat ein Buch über die schöne Tradition des Sonntagsbratens verfasst.

Wenn man ihn durch Kreuzberg schlendern sieht, fügt sich Wolfgang Müller mit seinem schwarzen Hoodie-Jeans-Sneaker-Outfit nahtlos in die urbane Szenerie ein. Wüssten die hier vorherrschenden Veggies und Dönerkids indes um die Vorlieben des 59-jährigen gebürtigen Allgäuers, würden sie vermutlich zusammenzucken.

„Ich bin zu alt für diesen Scheiß“, bekennt der gelernte Koch und Metzgermeister freimütig beim Gespräch in einem Café auf der Wiener Straße – und meint zuallererst fanatische Vegetarier und Veganer. „Ich brauche keine ideologischen Belehrungen, ich kann auch Gemüse – und esse sowieso nur zweimal in der Woche Fleisch.“

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Nur dann eben in bester Qualität und nicht irgendein Fertiggericht vom Imbiss oder Discounter. „Für das, was manche Leute hier Tag für Tag in sich reinstopfen, fehlt mir jedes Verständnis. Die wollen ja gar nicht mehr wissen, wie ein anständiges Stück Fleisch schmecken kann.“

Cover von „Braten“ von Wolfgang Müller
Cover von „Braten“ von Wolfgang Müller

Trotzdem hat er den Glauben an die Menschheit nicht verloren und deshalb in durchaus missionarischer Absicht eine Ode an den Braten verfasst. In dem schlicht „Braten“ betitelten Band geht es nicht nur darum, wie man große Stücke perfekt zubereitet, sondern auch um die Wiedergewinnung einer alten Tradition. „Es gibt doch kaum etwas Schöneres, als mit der Familie oder Freunden zusammenzusitzen, der große Braten, Soße, Gemüse und Beilagen werden aufgetischt, und alle schneiden sich eine Scheibe ab. Mehr Gemeinschaftsgefühl geht eigentlich nicht.“

Der Geschmack von Innereien wird unterschätzt

Durch Ideen wie diese versucht der gelernte Koch und Metzger, der in Berlin mit seinem Sternerestaurant Adermann reüssierte, seit einigen Jahren mit seiner Beratungs- und Cateringfirma nicht nur Köche, sondern alle, die mit Fleisch zu tun haben, für einen nachhaltigen, aber lustvollen Umgang mit Fleisch zu gewinnen. „Ich selbst esse ja am liebsten Innereien“, erklärt er, „weil die geschmacklich am intensivsten sind.“ Ein fettloses Rinderfilet dagegen findet er eher langweilig. Deshalb versammelt sein Buch neben der klassischen Weihnachtsgans und dem Rinder- und Schweinekrustenbraten auch alle möglichen gern als exotisch titulierten Stücke wie Herz, Nieren und Zunge vom Kalb, Zickleinschulter, gefüllten Ochsenschwanz und sein derzeitiges Lieblingsgericht: Kelle Söğüş, den im ganzen gegrillten Lammkopf.

Für unsere Weihnachts- oder Silvestertafel haben wir uns jedoch für seinen geschmorten Hirschhals aus der Rotweinmarinade entschieden. Erstens weil Wild nach wie vor das am bedenkenlosesten zu genießende Fleisch ist – der Bestand in den heimischen Wäldern muss nun mal kontrolliert werden – und zweitens weil selbst Wildliebhaber meist nur Rücken, Filet oder Keule im Sinn und – wie übrigens auch der Kolumnist – noch nie einen Gedanken an den Hals verschwendet haben. Dabei ist der, richtig zubereitet, eine wahre Delikatesse.


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Dazu muss das fünf Kilo schwere Stück mit dem Knochen drei Tage in eine klassische, mit Zwiebel, Suppengemüse, Thymianzweigen, Lorbeer, Pfefferkörnern, Wacholderbeeren, ein paar Nelken, etwas Piment und Zimt sowie dem Abrieb von je einer Zitrone und einer Orange vorbereitete Rotweinmarinade eingelegt werden. Wir empfehlen vier Flaschen vom günstigen, aber exzellenten rheinhessischen Spätburgunder vom Weingut Kampf.

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Am Festtagsmorgen wird der trocken getupfte Hals von allen Seiten gesalzen und in einem Bräter kurz scharf angebraten. Danach das von der Flüssigkeit separierte Gemüse mit vier Stück Würfelzucker und 40 Gramm Tomatenmark karamellisieren und langsam anrösten. Dabei mehrmals mit rotem Portwein ablöschen, die Marinade und eine Dose passierte Tomaten zugeben und mit dem Fleisch bei 140 Grad für vier bis sechs Stunden in den vorgeheizten Backofen schieben. Wenn der Braten weich ist, herausnehmen, die Sauce passieren und auf die Hälfte einkochen. In Scheiben geschnitten und mit Pilzen oder Bohnen, Spätzle, Knödel oder Kartoffelpüree serviert, kann es der butterzarte Hals geschmacklich mit jeder Keule und jedem Rücken aufnehmen.

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