Michael Jacksons Double: „„Ich freue mich schon auf die Weihnachtsfeiern!“

Ralf Abel ist 42, wohnt in Koblenz und geht gern mit seinen Hunden spazieren - an Wochenenden aber zeigt er als Michael-Jackson-Double den Moonwalk. Gegen Abels Geschichten wirken Spinal Tap wie Grundschullehrer. Und: Seit dem Tod des Superstars hat sich seine Auftragslage schlagartig verändert.

Herr Abel, konnten Sie sich am Tag nach Michaels Tod vor Anrufen noch retten?

„Ich bin morgens um zehn nach vier von einer SMS geweckt worden, in der die traurige Nachricht stand. Als erstes schoss mir durch den Kopf: Oh Gott, in ein paar Stunden fährst du mit ein paar Kumpels auf Herrentour nach Holland, und das Handy wird kaum noch still stehen. Den ganzen Freitag klingelte das Telefon, weil alle Sender von RTL bis Sat.l Doubles suchten, die aufgrund der Nachricht kurz vorm Sterben sind. Ich habe all diese Anfragen abgesagt. Ständig fragen mich Radio- und TV-Sender, ob ich nicht todtraurig sei und zur Beerdigung nach Amerika fliegen wolle. Nein! Ich bin Prince-Fan!“

Werden Sie jetzt als Leichenfledderer angesehen?

„Ob sie’s glauben oder nicht: Ich bekam einen Anruf von einem Familienvater: „Ich brauche sie so schnell wie möglich, meine Kinder können nicht mehr schlafen!“ Als ich ihm sagte, dass ich jetzt erstmal vier Tage auf Herrentour in Holland bin und ab Montag meine Termine ordne, ist er ausgerastet: Es sei eine Unverschämtheit, überhaupt Geld dafür zu verlangen! Er habe Konzertkarten und alles gekauft, und ich würde hier Leichenfledderei betreiben. Da habe ich ihm mal kurz was erklärt: „Guter Mann, ich mache das seit 15 Jahren. Vor geraumer Zeit hatte ich nur zehn Auftritte im Jahr, während Michaels Prozessen hätte ich es sogar fast aufgegeben. Und jetzt heißt es: Igitt, wie kann man damit Geld verdienen?““

Sind es nach dem Tod andere Aufträge geworden?

„Schon seitdem das Comeback feststeht, trauen sich wieder Firmen und Discotheken. Noch vor zwei, drei Jahren bin ich fast ausschließlich auf Hochzeiten aufgetreten oder auf Geburtstagspartys von Leuten, die in den Achtzigern aufgewachsen oder MJ-Fans sind. Innerhalb von zwei Tagen nach dem Tod konnte ich acht Termine fix machen, die sich sonst nie derart kurzfristig hätten bestätigen lassen. Und das ist erst der Anfang. Ich freue mich schon auf die Weihnachtsfeiern!“

Wirtschaftlich wird 2008 für Sie also ein gutes Jahr.

„Klar. Mir hätte es nichts gebracht, wenn Michael Jackson 80 Jahre alt geworden wäre.“

So denkt der Profi.

„Ein gewisser Abstand ist für meine Tätigkeit als Double ganz gesund. Vorhin habe ich einen Anruf von Sat.l bekommen: Die suchten ein Double, das absoluter Fan ist und das Schlafzimmer mit Jackson-Postern tapeziert hat. Da bin ich der Falsche. Ich führe ein normales Leben.“

Was machen Sie hauptberuflich?

„Ich bin Bausparkassen-Angestellter und sitze den ganzen Tag blöd am PC.“

Das klingt weniger glamourös als Ihr Parallel-Universum.

„Durchaus. Die Kollegen in der Firma können meinen Job im Showbusiness überhaupt nicht nachvollziehen. Wie auch? Ich führe zwei Leben und habe Dinge erlebt, die sich andere gar nicht vorstellen können. Aber wenn ich das hauptberuflich machen würde, hätte ich jetzt einen psychischen Knacks.“

Weil man dem Original immer ähnlicher wird?

„Ich habe Doubles getroffen, die einen Hau weg haben. Die haben die gleichen Operationen wie Michael durchführen lassen. Ich habe auch immer viel mit Schminke gearbeitet, aber ich habe mir nie meine Nase verkleinern lassen. Das ist mir zu abgehoben. Ich bin professionell und so gut, dass ich davon leben könnte, wenn ich es darauf anlegen würde. Aber ich bin eben immer noch ein Double und nicht Michael selbst.“

Es gibt Leute, die sich die Nase verkleinern lassen?

„Ja, selbstverständlich.“

Aber die leben dann auch davon?

„Definitiv. Auch ich verdiene phasenweise supergut. Aber mir war die Doppelbelastung immer lieber, weil ich mich nicht abhängig machen wollte. Denn wenn die Jacko-Euphorie mal abflacht, was ja aufgrund der Gerichtsprozesse und sinkenden Verkaufszahlen auch passiert ist, stehe ich auf der Straße.“

Wenn Sie kein Fan sind – warum arbeiten Sie ausgerechnet als Jackson-Double?

„Ich bin Das passierte rein zufällig! Zwei Kollegen kannten mich vom Tanzen in der Discothek, und als ich bei der Bausparkasse anfing, sagten die beiden: „Du musst unbedingt als Gag auf unserem Betriebsfest auftreten, weil du tänzerisch diese ganzen Sachen drauf hast.“ Also hab ich ihnen den Gefallen getan, und das kam an wie die Bombe. Unmittelbar nach dem Auftritt haben schon die ersten Leute gefragt, wer das war und wo man ihn buchen könne, weil sie mich für ihren Geburtstag oder ihre Hochzeit engagieren wollten. Erst von dort an habe ich mich richtig eingehend mit Michael beschäftigt: mir die Tanzschritte genauestens angeeignet, Ballettunterricht genommen, um gezielt mein Körpergefühl zu verfeinern, mir eine Agentur gesucht, die Doubles vermittelt, eine Homepage machen lassen, mir Kostüme für 12.000 Euro nähen lassen und eine Echthaar-Perücke besorgt.“

Was ist in Ihrem Komplettpaket alles inbegriffen?

„Das wird individuell gestaltet. Wenn ich zum Beispiel für eine ganztägige Autohaus-Eröffnung gebucht werde, gibt’s zu jeder vollen Stunde ein Bühnenprogramm, und dazwischen stehe ich für Fotosessions und Autogrammstunden zur Verfügung oder fahre mit dem Auto durch die Gegend und winke aus dem Fenster.“

Klingt nach harter Arbeit.

„Allerdings. Da komme ich abends ins Hotel und bin vollkommen platt. Mein Vorteil ist der, dass ich Michael ohne Aufmachung überhaupt nicht ähnlich sehe. Ich brauche eineinhalb Stunden, bis ich fertig bin mit Schminken und Anziehen, aber wenn ich wieder abgeschminkt und umgezogen bin, kann ich mich in Ruhe an die Bratwurstbude stellen.“

Rasten Ihre „Groupies“ manchmal so richtig aus?

„Das kommt schon vor. Manchmal ist es natürlich auch Show, aber ich kann mich über mangelndes Interesse nicht beklagen. Es ist mir schon öfter passiert, dass ich dadurch jemanden kennen gelernt oder mal die Nacht woanders verbracht habe. Aber dass jemand meint: „„Hey, zieh mal dein Kostüm an, ich möchte das Gefühl haben, dass ich mit Michael Jackson Sex habe“, ist noch nicht vorgekommen.“

Sobald Sie das Kostüm anhaben – merken Sie da, wie es sein könnte, Michael zu sein?

„Von dem Moment an bin ich Michael! Aber wenn im Privatleben irgendwo seine Musik läuft und die Leute mich ansprechen „komm, „mach mal“, dann kann ich das nicht. Ich brauche die Perücke, die Schminke und das ganze Superheldenkostüm – dann geht das wie von allein.“

Haben Sie den echten Michael mal getroffen?

„Ich war zehn Meter von ihm entfernt. Damals hatte man mich während eines Deutschland-Besuchs von Michael als eines von zehn oder zwölf Doubles gebucht, weil der Fanauflauf zu riesig war. Wir sollten einfach nur in einer Limousine sitzen, ab und zu mal das Fenster runterkurbeln und die Massen ablenken, damit der echte Michael aus der Tiefgarage gefahren werden kann. Im Prinzip hätte ich da in Boxershorts antreten können, weil ich nur im Auto saß.“

Welche Story erzählen Sie später Ihren Enkelkindern?

„Etliche. Ich bin mal auf einer Beach-Party aufgetreten, wo sie einen Kran mit einer Box hatten, in der ich wie Michael über die Menschenmenge geschwebt bin. Aber mein Highlight war wahrscheinlich folgendes: Als ich vor ein paar Jahren in München aufgetreten bin, war auch Franz Beckenbauer zu Gast. Da habe ich mit ihm vorm Davidoff-Stand Zigarren geraucht. Er hat mir in aller Seelenruhe erklärt, wie man eine Zigarre anzündet, wie man sie raucht und worauf man achten muss. Der war total entspannt und normal geblieben, trotz des Presserummels. Am nächsten Tag waren wir in jeder Münchener Boulevard-Zeitung. Headline: „„Kaiser raucht Zigarre mit Michael Jackson“. Ich bekam fast ein schlechtes Gewissen, weil ich nur darauf bedacht war, dass es schöne Fotos gibt, und der Franz erzählt mir hier einen von Davidoff-Zigarren.“

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