Red Hot Chili Peppers: Die Todesursache von Gitarrist Hillel Slovak

Hillel Slovak gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Red Hot Chili Peppers und prägte ihre frühen Jahre entscheidend. ROLLING STONE erinnert an den Ausnahmegitarristen.

Hillel Slovak war ein Einwanderer-Kind, geboren wurde er am 13. April 1963 im israelischen Haifa als Sohn zweier Überlebender des Holocausts. Die Familie emigrierte 1967. Erst nach New York City, dann Los Angeles. Bereits als kleiner Junge zeigte der spätere Gitarrist der Red Hot Chili Peppers eine auffällige Leidenschaft für die Musik und die Kunst. Oft malte er mit seiner Mutter Esther und entwickelte dabei sein künstlerisches Talent. Schließlich schenkten ihm seine Eltern seine erste Gitarre zu seiner Bar Mitzvah. Slovak hörte überhaupt nicht mehr auf zu spielen. Regelmäßig saß er bis spät nachts mit dem Instrument in seinem Kinderzimmer, hörte Jimi Hendrix, Led Zeppelin und Kiss.

Die Schule spielte eher eine Nebenrolle. Gleichzeitig war die Bancroft Junior High School doch ein schicksalshafter Ort für den jungen Hillel Slovak. Er traf dort auf Jack Irons und Michael Balzary. Balzary konnte nie still sitzen, ständig war er in Bewegung und spielte den Klassenclown. Den Spitznamen Flea sollte er nie wieder ablegen.

Die Red Hot Chili Peppers in Chicago, 26. Oktober 1985.

Die frühen Jahre der Red Hot Chili Peppers

Als Neuling an der Fairfax High School gründete Slovak die Band Anthym mit Jack Irons am Schlagzeug. Eines abends stand Anthony Kiedis im Publikum einer Anthym-Show, begeistert von dem, was er auf der Bühne sah. Nach dem Konzert unterhielten sich Slovak und Kiedis intensiv, über Musik, über Kunst. Kiedis erinnerte sich später in seiner Biografie „Scar Tissue“ an seine erste Begegnung mit Hillel Slovak: „Nach wenigen Minuten, die ich mit Hillel verbracht hatte, spürte ich, dass er absolut anders als die meisten Leute war, mit denen ich Zeit verbrachte. Er verstand viel von Musik, er war ein großartiger Künstler und er hatte ein Selbstgefühl und eine Ruhe an sich, die einfach fesselnd waren.“

Kiedis, Slovak und Flea wurden beste Freunde – jedoch nicht nur untereinander, sondern ebenso mit LSD, Heroin und Kokain. Zur selben Zeit brachte Slovak Flea das Bassspielen bei. Nach zahlreichen Besetzungswechseln und mehreren Bands, entschlossen sich Hillel Slovak, Flea, Anthony Kiedis und Jack Irons 1982 dazu, gemeinsam Musik zu machen. Inspiration fanden sie vor allem in der Band Defunkt, die eine sonderbare Mischung aus Punk, Funk und anderen Musikstilen spielten. Slovak und seine Mitmusiker benötigten gerade einmal ein halbes Jahr, um sich als Red Hot Chili Peppers in der Club-Szene von Los Angeles einen Namen zu machen. Sie zogen sogar in ein gemeinsames Haus, stets begleitet vom beträchtlichen Drogenkonsum.

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Immer mehr Drogen

Parallel zur den Red Hot Chili Peppers existierte Slovaks alte Band weiter, die sich mittlerweile in What Is This? umbenannt hatte. Während Flea eine andere Band namens Fear verließ, um sich mehr auf die Red Hot Chili Peppers konzentrieren zu können, lief es bei Hillel Slovak exakt andersherum. Trotz eines frisch erworbenen Plattenvertrages mit EMI stieg er bei den Chili Peppers aus. What Is This? hatten ebenfalls einen Vertrag ergattert, was die Entscheidung für Slovak nur noch zur Formsache machte. Die Band mit Flea, Anthony Kiedis und Jack Irons war in den frühen Tagen ohnehin eher ein Nebenprojekt für den umtriebigen Israeli.

Jack Sherman ersetzte ihn an der Gitarre. Gleichzeitig übernahm Cliff Martinez das Schlagzeug von Jack Irons. Eine Entwicklung, die insbesondere bei Flea auf wenig Begeisterung stieß. Er war sich sicher, dass die musikalische Verbindung mit Hillel Slovak unvergleichlich war und nicht einfach durch einen anderen Gitarristen ausgefüllt werden konnte.

Eine einzigartige Verbindung

Der Missmut hielt jedoch nicht lange an. Bereits während der Aufnahmen für das What-Is-This?-Album wurde Slovak unzufrieden mit der Band und bat um eine Rückkehr zu den Red Hot Chili Peppers. Sein erstgeborenes Kind würde Anthony Kiedis hergeben, damit Slovak wieder einstieg, so die Erinnerung von Flea an das Gespräch mit dem Sänger. Das zweite Album der Band „Freaky Styley“ nahmen sie gemeinsam auf. Auch Jack Irons kehrte wenig später zurück.

Was der den Red Hot Chili Peppers musikalischen Auftrieb verlieh, riss sie in Bezug zu ihrem Drogenkonsum immer mehr gen Abgrund. Für die Aufnahmen von „Freaky Styley“ verbrachten sie eine längere Zeit in Detroit, immer in Begleitung und unter dem Einfluss diverser Substanzen. Flea erinnerte sich später: „Es begann hässlich zu werden und machte mir keinen Spaß mehr. Unsere Kommunikation wurde sehr ungesund.“ Anthony Kiedis wurde schließlich so heroinsüchtig, dass er während der Arbeit am Album weitestgehend abwesend war. Slovak tanzte zeitgleich zugekokst und in schrillen Klamotten wie ein Irrer durch das Studio.

Die Red Hot Chili Peppers im Januar 1987.

Hillel Slovaks Sucht

Vor dem dritten Album der Chili Peppers, „The Uplift Mofo Party Plan“, begab sich Anthony Kiedis in eine Reha und kehrte für die Aufnahmen zurück nach Los Angeles. Hillel Slovak hielt seine Erinnerungen an die Produktion in seinem Tagebuch fest: „Es hat so viel Spaß gemacht. Ich bin so extrem stolz auf die Arbeit jedes Einzelnen – sie ist mitunter genial.“ Slovak selbst war Gegenstand zahlreicher Lyrics auf dem Album, etwa in „Skinny Sweaty Man“.

Im Gegenzug zu Kiedis konnte Hillel Slovak seine Heroinsucht viel besser vor seinen Mitmenschen geheim halten. Die Band, Familie und Freunde waren mehr um den Frontmann besorgt als um den Gitarristen, der er irgendwie schaffte, mit seinem Konsum im Schatten zu bleiben. Doch auch das beste Versteckspiel konnte nicht ewig erfolgreich sein. Auf der Tour zur „Freaky Styley“ verschlechterte sich Slovaks Gesundheitszustand zusehends. Nicht einmal die üblichen Wrestling-Einheiten mit Flea zum Spaß konnte er mehr einlegen – er war schlicht zu schwach, um sich verteidigen zu können. Ein Roadie der Band kontaktierte darauf Slovaks Bruder James, um ihm von seiner Besorgnis zu berichten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte James Slovak noch nie mitbekommen, dass sein Bruder ein Junkie war.

Vor der Europa-Tour zu „The Uplift Mofo Party Plan“ wollten sowohl Kiedis als auch Slovak der Abstinenz eine ernsthafte Chance geben, doch das Tour-Leben war ein zu großes Hindernis für beide. Dieses Mal waren die Symptome von Slovaks Sucht deutlich besser sichtbar als die von Anthony Kiedis. Die Situation verschlimmerte sich soweit, dass er schließlich nicht mehr dazu in der Lage war, Gitarre zu spielen. Eine Show absolvierte die Band daher vollkommen ohne Gitarristen, weshalb Slovak für wenige Shows durch DeWayne McKnight ersetzt wurde. Kiedis appellierte inständig an Slovak, sich professionelle Hilfe zu holen, doch die Einsicht darüber sollte nie eintreten.

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Der einsame Tod

Als die Red Hot Chili Peppers aus Europa heimkehrten, isolierte sich Hillel Slovak weiter von den Menschen in seiner Umgebung. Er malte nicht mehr, spielte keine Gitarre und schrieb auch nicht in sein Tagebuch. Am 24. Juni 1988 rief er seinen Bruder an. Er habe große Schwierigkeiten, dem Heroin zu widerstehen, obwohl er den Wunsch verspüre, clean zu werden, so Slovak am Telefon. Es war das letzte Mal, dass Slovak mit jemanden sprach. Zuvor hatten seine Bandmitglieder vergeblich versucht, ihn zu erreichen. Am 27. Juni 1988 fanden Polizisten Hillel Slovak tot in seinem Apartment. Die Gerichtsmedizin fand heraus, dass er bereits am 25. Juni an einer Heroinüberdosis gestorben war.

Slovak wurde auf dem Mount Sinai Memorial Park Cemetery in Los Angeles begraben. Anthony Kiedis verließ vorher die Stadt, da er es nicht ertragen konnte, bei dem Begräbnis anwesend zu sein. Obwohl die Nachricht vom Tod seines Freundes ein Schock gewesen sei, stellte er seinen eigenen Heroinkonsum nicht sofort ein. Erst ein paar Wochen später überzeugten ihn Freunde, abermals eine Reha anzutreten und Hillel Slovaks Grab zu besuchen. Der Besuch auf dem Friedhof war der letzte Schritt für Kiedis, das Heroin vollends aufzugeben. Jack Irons hatte größere Schwierigkeiten, mit dem Tod Slovaks umzugehen. Er verließ die Red Hot Chili Peppers, um nicht mehr Teil von etwas zu sein, das in dem Tod seines Freundes resultierte. Im Nachgang seines Ausstieges litt Irons an schweren Depressionen. Flea und Kiedis entschlossen sich jedoch, weiterhin Musik zu machen. Nur kurze Zeit später stiegen Chad Smith und John Frusciante bei den Red Hot Chili Peppers ein.

John Frusciante live 2007 – hier noch mit den Red Hot Chili Peppers
John Frusciante live 2007
Paul Natkin Getty Images
Jim Steinfeldt Getty Images
Paul Redmond
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