Anohni And The Johnsons

„My Back Was A Bridge For You To Cross“

Beggars (VÖ: 7.7.)

Der Unterschied zwischen Akzeptanz und Resignation

Dieses Album ist ein geeignetes Mittel gegen Zukunftsangst. Vielleicht ist es ein Wunder oder eben genau keines, dass ausgerechnet die Nachfolgerin von „Hopelessness“ (2016) nach Hoffnung duftet. Doch sie riecht auch nach Verzweiflung, nach dem Verlust von Freunden, nach Trauer, nach Beklemmung in einem brüchigen System und dem Wunsch nach Befreiung. „My Back Was A Bridge For You To Cross“ ist ein Herz am Krückstock. Zu robust und gleichzeitig zu fragil für den Schatten über allen Dingen. Und zu gescheit, um sich mit den Umständen widerstandslos abzufinden.

Es wimmert, es zittert, und das tut es in Schichten

Was wäre, wenn man den Schatten loswürde oder zumindest besänge? Anohni, Königin des Mäandernden, tut Letzteres. Nie gluckst, schmorkt und schnalzt das Finstre in den zehn Songs, nie poltert, peitscht und zerrt es. Es wimmert, es zittert, und das tut es in Schichten. Das ist vordergründig Soul, das ist tender, das ist smooth („It Must Change“), darunter aber ist es brutal. Für die Aufnahmen gab Anohni erstmals die alleinige Komposition und Produktion ihrer Stücke ab. Soul-Produzent Jimmy Hogarth versammelte eine Studioband und führt mit seinem Gitarrenspiel durch Lieder, die eine Mischung aus amerikanischem Soul, britischem Folk und experimenteller Musik sind.

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Die von Seufzerfiguren getragenen Titel haben balladenhaften Charakter, nehmen Fahrt auf („Can’t“). Im kürzesten Track, „Go Ahead“, gerade mal ein Anderthalbminüter, heult die Gitarre zu „Go ahead, kill your friends/ You are an addict/ Go ahead, hate yourself/ I can’t stop you.“ Die längste Nummer, „Why Am I Alive Now?“, überzeugt mit Streichern und nasaler Kopfstimmen-Virtuosität. In diesem Album wohnt nicht das Versprechen, dass alles gut wird, aber es ist ein einvernehmlicher Stirnkuss. Einer, der flüstert: „And the taste of water on my tongue/ It was cool, and it was good/ I never knew it before/ I love you so much more“ („Sliver Of Ice“). Wer sich vor dem Hören fragt, was der Unterschied zwischen Akzeptanz und Resignation ist, kennt nach diesen 40 Minuten die Antwort: Anohni.