Diverse – Forever Changing – The Golden Age Of Elektra Records 1963-1973

Wie komplett Major Companies bei uns und auch in den USA einmal das beherrschten, was man mal das Plattengeschäft nannte, können Nachgeborene sich heute kaum mehr vorstellen. Die vielen kleinen Independent Companies, meist spezialisiert auf Genres, oft lokal operierend, bisweilen von Kriminellen, dann auch wieder von Philanthropen geführt, hatten gegen die schiere PR- und Vertriebs-Ubermacht der Majors einen schweren Stand.

Der aus gutbürgerlichem Hause stammende Jac Holzman gehörte mehr zu den Menschenfreunden und Idealisten. Seine kleine Plattenfirma verstand er

als Heimat für Musik, die man am besten unter dem Oberbegriff „Roots“ zusammenfasse nicht so historisch orientiert wie Folkways, aber immer an Künstlern interessiert, die beste Folk-Traditionen zeitgenössisch fortführten. Sprich Blues, Jugband Music, Fulk, Protestsong, Bluegrass und anderes stilistisch verwandtes Liedgut, für das Künstler wie Koerner, Ray & Glover und Fred Neil, Phil Ochs und Judy Henske, die Dillards, Tim Buckley, Butterfield Blues Band und und und standen. Holzman konnte den sich neu profilierenden Talenten nicht entfernt dieselben finanziellen Voraussetzungen bieten wie etwa John Hammond Sr. bei Columbia. Das waren weniger Low-budget-Produktionen, auf die sich die von ihm verpflichteten Songschreiber und Musikanten einstellen mussten, eher No-budget-Aufnahmen, die in wenigen Sessions von ein paar Stunden aufgezeichnet und abgemischt sein mussten.

Von erlesenem Wohlklang konnte keine Rede sein beim Debüt der Butterfield Blues Band. Praktisch fertig produzierte Fassungen davon hatten Rothchild und Holzman nicht zur Veröffentlichung freigegeben. Als nach einem letzten Anlauf hinreichend zufrieden damit, hatte das Projekt die stolze Summe von 50 000 Dollar verschlungen. Die legendären Sessions für das Erstlingswerk der Doors folgten zwar auch nicht der berühmten One-Take-Philosophie von Frank Sinatra. Nur dauerten diese Aufnahmen gerade mal zehn Tage, waren mit 10 000 Dollar vergleichsweise läppisch billig und fielen klanglich dabei noch verblüffend gut aus. Diese recht prominenten Gruppen sind natürlich auch mit ein paar Aufnahmen in diesem Box-Set vertreten. Aber das war nie als so etwas wie eine Erfolgsbilanz des Labels gedacht, im Gegenteil: „Forever Changing,“ ist die Raritäten-Fundgrube par excellence, zum anderen auch eine Nachlese der berühmtesten Aufnahmen von Künstlern, die es nie zu Popstar-Status brachten. Fred Neil nicht mit „Other Side To This Life“ und Tom Rush nicht mit „Joshua Gone Barbados“ (große Aufnahme), weder Paul Siebel mit „Louise“ noch auch nur eine einzige Aufnahme, die der große Tim Buckley während seiner Elektra-Jahre machte. Vom Erfolg der Byrds konnten auch Love nur träumen.

Eine der vielen bemerkenswerten Raritäten hier ist Hamilton Camps Originalaufnahme von „Pride Of Man“, von Quicksilver Messenger Service für ihr Debüt radikal psychedelisiert. Clear Light und Eclection fühlten sich bei Holzmans Label bestens aufgehoben, Richard Farifia und Dennis Linde auch. Aber radiofreundliches Top-Ten-Material war das alles nicht, was sie zu bieten hatten. Als genau das erwies sich wunderlicherweise Judy Collins‘ Aufnahme von Joni Mitchells „Both Sides Now“.

Viel Ehre handelte man sich später mit Platten wie denen der Incredible String Band ein, manchmal Ärger, aber auch viel Geld mit denen von MC5, Stooges und Queen. Als Holzman seinen Laden an den ehrenwerten Mo Ostin verkaufte und sich ein Haus auf Maui baute, waren längst viele andere Independent-Firmen von den führenden Konzernen übernommen worden – mit nicht immer erfreulichen Konsequenzen in Sachen Katalog- und Repertoirepolitik.

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