Jonathan Wilson

„Eat The Worm“ – Opulenter Zauber

BMG (VÖ: 8.9.)

Grandios verästelte Americana-Reise des modernen Freigeists

Dieses Album ist das Traumzauberland einer untergegangenen Ära. Doch Obacht, hinter jeder Attraktion lauert die moderne Welt! Wilson inszeniert seine Americana mal als Zirkusdompteur, mal als Romancier, mal als Troubadour. Auf dem wundervoll verschwenderischen „Eat The Worm“ schlagen sich all die Erfahrungen nieder, die der US Songschreiber in den vergangenen zehn Jahren als Produzent und Multiinstrumentalist gesammelt hat.

Wer außer ihm könnte solche Songs schreiben

„Marzipan“ heißt das erste Stück, und süßlich beginnt es, mit Besenschlagzeug und Klavier. Wilson unternimmt einen Streifzug durch seine musikalischen Stationen, besucht alte und neue Vorbilder. Orchester- und Bläsersätze greifen ineinander. Eine kleine Melodie bricht mit dem Rhythmus auf und verkrümelt sich alsbald. Mittendrin erklärt Wilson: „Well, we’ve come to the part of the song right now/ Where I’m gonna fuck around/ Go for broke like my boy Jim Pembroke/ He inspired me to do a little something right here/ A little song and dance/ A little ‚take a chance‘.“ Pembroke, seines Zeichens Sänger der britischen Prog-Rock-Band Wigwam, ist ein Freigeist nach Wilsons Geschmack.In „Bonamossa“ schieben sich Folk-Chants und spacigfernöstliche Jazz-Schwaden über einen Beat, der wie eine verzwergte Version von Portisheads „Machine Gun“ klingt.

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Noch irrer: „Hollywood Vape“ lässt den Spirit von CSNY aufleben, verliert sich kurz in New-Age-Splittern und mündet in einen Schlund voller Fanfaren und Acid-Rock-Getöse. „The Village Is Dead“, eine süffisante Hipster-Schelte, die von seinem Freund Josh Tillman alias Father John Misty stammen könnte, erinnert klanglich an Dylans „Hurricane“, ersetzt die nervöse Fiddle jedoch durch ein Gewimmel aus Soul-Streichern. „Wim Hof“ atmet eine entschleunigte Prise Bossa nova, „B.F.F.“ betritt den Klangkosmos von „Pet Sounds“, und das elegische „Charlie Parker“ wirkt eher wie eine Ballade von Roger Waters. Jonathan Wilson ist möglicherweise ein Blender, einer, der mit Opulenz über manche Leerstelle hinwegtäuscht. Aber wer außer ihm könnte solche Songs schreiben.