Multimedia :: Thomas Feibel

Ach ja, Multimedia! Hierzulande ist eine unglaubliche Euphorie ausgebrochen, die von der Qualität der Produkte her kaum gerechtfertigt sein dürfte. PRINCE, zum unaussprechlichen Symbol verkommen, hat mit seiner CD-ROM Jnteraktive“ (Digital World) nur eine weitere Möglichkeit aufgetan, sich selbst ungeniert zu zelebrieren. Stundenlang geht es durch kitschige Räume, Fahrstühle und Treppenhäuser, wobei einem ständig des Prinzen Miene in Relief-Form und Fotos begegnet. Videoanimierte Damen in Dessous hauchen ihr zärtliches „Touch Me“ dazu, und wer Glück und genügend Geduld hat, darf unter ununterbrochenem Mausklicken nicht nur in des Meisters Kleiderschrank wühlen, sondern auch endlich ein paar Videos ansehen oder Songs hören. Vom technischen Standpunkt her, ist „Interaktive“ eine wunderbare Mischung aus Adventure, Musik und Video – berückend, aber fürs Köpfchen kommt sie über den Fanzine-Charakter kaum hinaus. Zu teuer ist sie auch. Erinnert an ein „Miss Fenjala“-Bad, wenn das Wasser kalt und der Schaum weg ist.3,0

Ganz anders die Mixed-Mode-CD von DAS AUGE GOTTES (Sony). Die Doppelfunktion des Zwitter-Scheibchens überzeugt, denn sie läuft sowohl auf einem Audio-CD-Player, als auch am Computer – hier aber mit weitaus mehr Effekten. Auf der CD-ROM ist nicht nur das gesamte Album der Schweriner Band enthalten, sondern auch drei Videos, Song-Texte, Fotos, die abgefahrene Bandgeschichte und ein Memory Spiel mit unzählig verschiedenen Augen. Diese CD-ROM ist nicht nur schön gestaltet, sondern kostet auch nur soviel wie eine ganz normale Audio-CD. 4,0

Ebenfalls aus dem Hause Sony kommt die MUSIC MEGA ROM, die sich als interaktives Magazin versteht und den Kids etwas mehr Taschengeld (etwa 50 bis 70 Mark) abknöpfen wird. Andauernd müllt einem die Ratte Larry, die ja auch für Bravo-TV herumblödelt, mit niveaulosen Gags zu. Die CD-ROM selbst ist für ein Magazin zu einseitig, schließlich kommen nur Sony-Künstler zu der Ehre: Rio Reiser, Scream, Selig und andere. In den kleinen Video-Interviews wird nur Blödsinn gestammelt, biographische Teile sind voller Schreibfehler und dann wird manche Band auch noch nach ihrem Lieblingsmusiker befragt. Von den 30 Musik-Titeln werden manche nur angespielt Nee, nee. Das war nix. 1,0

Billiger ist das Magazin WORLD CLIP (Digital World), das alle zwei Monate für 29,90 Mark herauskommt. Gestalterisch sehr schön gemacht, inhaltlich gibt’s auch nichts zu meckern: Abenteuer, Reisen, Video und Kino mit Ausschnitten, neuste Platten aus dem Pop-, Worldmusicund Techno-Bereich (zum Anhören), Einblicke in Peter Gabriels „X-Plora“-CD-ROM, neun Anspielmöglichkeiten seines Real World-Labels, die Wundertüte der interaktiven Art. 4,0

Kryptisch und einigermaßen sinnlos – wie auch die Artwork zum Album – geriet eine interaktive Diskette „Monster“ (WEA) für Macintosh-Geräte. R.E.M., dem Öko-Gedanken ebenso verpflichtet wie der Nutzung technischer Innovationen, enttäuschen mit kindischem Kleinkram: Mal werden schlicht die Produktionsangaben reproduziert, mal gar die Band-Mitglieder vorgestellt. Einem „Migraine Boy“ muß die Kopfschmerztablette in den Mund geworfen werden, damit es überhaupt weitergeht. Doch alle Wege führen bald zur Endstation: zu immer denselben Symbolen und Szenarios, die auch in der Redundanz keine Faszination entfalten. Dazu dröhnt dumpf Michael Stipes Versprechen „I’m not commodity“. Gewiß: Das ist wieder die Stipe’sche Gaga-Ironie, der Widerspruch in sich! Draußen ein Monster, drinnen nur Knautschtiere. Womöglich verweist der interaktive Unfug aber auf die Lösung des Rätsels R.E.M.: Hinter tausend Losungen keine Welt. 1,0

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