Olli Schulz

„Vom Rand der Zeit“

Runde Hunde/Universal (VÖ: 9.2.)

Mitreißendes achtes Album des gereiften Songwriters

„My future tightly clutched within those healing hands of time“, sang der Philosoph Willie Nelson 1965. Seine Zukunftszuversicht hat sich ausgezahlt: Am 3. November 2023 wurde er, 90-jährig, in New York in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Im Publikum: ein zu Tränen gerührter Fan aus Deutschland, vierzig Jahre jünger, aber auch ein großer Storyteller. Dieser Fan heißt Olli Schulz, und das ist eine wahre Geschichte.

Ohne Humorhintertürchen, aber mit Optimismusluke

„Ich wusste lang nicht, wer ich bin/ Und was es wirklich heißt zu lieben/ Die Zeit heilt viele Wunden/ Manche sind geblieben“, offenbart Schulz in „Silvester“, das wie eine elysische Leuchtboje über „Vom Rand der Zeit“ thront. Im berührendsten Song seines nun acht Alben umfassenden Werks rekapituliert er die Silvesternacht, in der sein Sohn geboren wurde, mit Phil-Spector-Instrumentierung und Gospelchor. Im fulminant eröffnenden „Einfach so“, inklusive Gitarrensolo von Stoppok, singt er von der Sehnsucht nach Leichtigkeit und Neuanfang und entfacht pulsierendes Roadmovie-Flair. Der Fluchtwagen ist keine Zeitmaschine, sondern ein Kehrfahrzeug, das vor der eigenen Tür wirbelt: „Schauen täglich das Leben der andern/ Wollen unsers erst gar nicht begreifen“, diagnostiziert Schulz in „Falsch erzählt“.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Zu melancholisch gezupfter Klampfe und lakonisch kommentierendem Klavier erzählt er im Titeltrack von einem Schicksalsgebeutelten am Katzentisch der Gesellschaft. „Stadtfest in Bonn“, im Duett mit Ina Müller, ist ein bittersüßer Gassenhauer über den am Notstromaggregat hängenden Hoffnungsschimmer. In Komplizenschaft mit Produzent Moses Schneider (Husten, Tocotronic) ist Schulz seine beste Platte gelungen, auf der er sich mehr denn je traut, das Visier hochzuklappen und genau hinzusehen. Ohne Humorhintertürchen, aber mit Optimismusluke, musikalischem Rückenwind (Seventies-AOR-Referenzen!) und sich auf Herzhöhe eingravierenden Refrains. Ein Album wie die feste, wärmende Umarmung eines Freundes am kältesten Tag des Jahres.