The Lemon Twigs

„Everything Harmony“

Captured Tracks/Cargo (VÖ: 5.5.)

Die 70er-Jahre sind zurück – leider etwas zu humorlos.

Schuld sind wahrscheinlich die Eltern. Man lässt ja schnell mal alte Supertramp– und Simon-&-Garfunkel-Platten unbeaufsichtigt im Wohnzimmer liegen. Und sicher war es auch nicht klug, die Schlaghosen und Pullunder aus den Siebzigern so lange aufzuheben. Kinder verkleiden sich nun mal gern. Trotzdem: Was Brian und Michael D’Addario auf ihrem vierten Album treiben, hat mit der Gegenwart nichts, wirklich gar nichts zu tun.

Inzwischen nervt das Soft-Rock-Gesäusel der Lemon Twigs

Klar, das Gefühl, viel zu spät geboren zu sein, durchzieht von Anfang an die Karriere der beiden ehemaligen Kinderstars und Ex-Musicaldarsteller. Ihr handwerkliches Können und ihr Talent wurden in amerikanischen Late-Night-Shows bestaunt. Als sie ihr Debüt, „Do Hollywood“ (2016), einspielten, waren die Buben gerade mal fünfzehn und siebzehn Jahre alt. Fast noch ein Fall für die selige „Mini Playback Show“.

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Doch inzwischen nervt das Soft-Rock-Gesäusel der Lemon Twigs. Ihre Frisuren, Outfits und Posen wirken wie frisch aus dem Timetunnel gefischt. Jeder Song klingt, als hätte die Band ihn aus einem Retro-Baukasten zusammengesetzt: „I wasn’t only born to be lonely/ I need a new love to keep me alive“, singen die Brüder in „Born To Be Lonely“ in himmlisch perfekten Harmonies, umspült von einem bombastischen Arrangement. So traurig, so schön kitschig. Wie gemacht für ein Publikum, das bei Konzerten gern Feuerzeuge zückt und die Arme über den Köpfen hin und her wiegt.

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„Ghost Run Free“ ist eine schlechte Kopie vom „There She Goes“ der La’s, die Rickenbacker immer im Anschlag und so free as a Byrd: „Somebody’s waiting for me, trapped in the places that I can’t see.“ Man kann das mögen, manche Menschen gehen ja auch zu Konzerten von Coverbands. Aber wenn diese Songs in Albumlänge auf einen einprasseln, wird es schnell unerträglich. Zu viel Herbstlaub, das durch die Luft wirbelt, um eine melancholische Stimmung zu beschreiben. Etwas Ironie und Humor wie bei 10cc würde vielleicht schon helfen.