The Mars Volta – De-Loused In The Comatorium :: Lektionen in Finsternis

Zum Trauern keine Zeit: Nachdem Sparta im letzten Jahr ihr Erbteil von At The Drive-In an den Start gebracht haben, schicken sich nun Cedric Bixler und Omar Rodriguez alias The Mars Volta an, ihren Ausstieg aus der kurzlebigen Emo-Punk-Sensation mit dem ersten Longplayer im Nachhinein zu legitimieren – angesichts des viel geflossenen bösen Blutes und der beizeiten mit fast gewalttätiger Leidenschaft vorgetragenen Enttäuschung über den schwer nachvollziehbaren Entschluss keine ganz leichte Aufgabe.

„Wir mussten diesen Schritt gehen“, sagt Bixler und kommt gleich ins Grübeln. „Wenn wir geblieben wären, hätten wir At The Drive-In zur Lüge gemacht.“ Bixler und Rodriguez sitzen in einem dunklen Kreuzberger Lokal und erzählen mit sichtbarem Leidensdruck von den schwersten zwei Jahren ihres Leben, von Freundschaftsbruch und Existenznot, von Depression und der immensen inneren Anspannung. „Es ging um Leben um Tod“, sagt Rodriguez und meint das offenbar überhaupt nicht bildlich, „und obwohl wir es vorher in dieser Form nicht wussten: Die neue Musik, die wir im Kopf hatten, hat diesen Prozess vorweggenommen.“ Die leidenschaftliche Introversion, die schwergewichtige, oft tonlos vorgetragene Bedeutsamkeit auf jedem Wort, das ist der Motor, der die Musik von The Mars Volta gebiert. Ein paar Stunden später machen Bixler, Rodriguez und vier weitere Eingeschworene diese drängende Schwermut auf der Bühne zu einem fast überfordernden Erlebnis. „Wir orientieren uns an Künstlern wie Werner Herzog und Klaus Kinski, die sich nie geschont haben, sondern ihre Vision mit dem Leben bezahlen“, erklärt Bixler. „Du willst eine Beschreibung unseres Lebens und unserer Musik? Denk an ‚Fitzcaraldo‘.“

Um das eigene Schiff über den Berg zu hieven, bekamen The Mars Volta Hilfe von niemand anderem als Rick Rubin, der schon an ATDI einen Narren gefressen hatte und nun unbedingt mit an Bord sein wollte. Die Freundschaft zu den Red Hot Chili Peppers, die für den Kontakt zu Rubin hilfreich gewesen war, führte die Band obendrein zur Villa, in der ,BloodSugar Sex Magik‘ aufgenommen wurde. „Wir wussten sofort, dass wir hier aufnehmen wollten“, so Rodriguez. In wochenlanger Arbeit wurde hier eine Wirkungsstätte errichtet, um das Pendant zu Herzogs Dschungel-Oper Realität werden zu lassen: „De-Loused In The Comatorium“. „Unser Weg zu dieser Platte ist nicht von der Platte selbst zu trennen“, so Rodriguez weiter, „die Grenze zwischen uns und der Musik verschwimmt.“ Kurz nach dem Interview starb Mars Volta-Keyboarder Jemery Michael Ward an einer Überdosis. Der Albtraum ist wohl noch nicht zu Ende.

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