Stiller Triumph im Kulturtempel

Als Teenager leitete er ihren Fanclub, 30 Jahre später ist Morrissey immer noch stolz darauf. Denn „die Dolls“ waren nie populär in England, ich mußte die Erkenntnis von ihrer Einzigartigkeit nicht mit Leuten teilen, mit denen ich auch sonst nichts teilen würde. Es gab keine Mitläufer.“ Anfang 2004 – er war gerade zum Kurator des renommierten „Meltdown‘-Festivals in London ernannt worden – kam ihm die Idee mit der Dolls-Reunion. Konkreter darüber Auskunft geben wollte er indes nicht. Es sei nur ein „wilder Traum“, den man keinesfalls zerreden dürfe, weil man ihn damit gefährde. Genau zwei Jahre später zeigt sich Morrissey mitteilsamer. „Dieser Traum wurde Wirklichkeit“, sagt er mit ungewohnt weicher Stimme, „indem Einzelne für eine Weile ihr Ego zurückstellten für das Gemeinsame, Verbindende.“

War es am Ende denn so, wie du es ersehnt hattest?

„Es war besser. Zwei großartige Nächte, von denen vor allem die erste fesselnd war, für mich geradezu hypnotisierend. Wir hatten bis kurz davor noch mit diversen Problemen zu kämpfen, umso befriedigender war es für zu erleben, wie alles an seinen angestammten Platz fiel.

Immerhin war ich eine zentrale Figur in dieser Konstellation, ich hielt die Fäden in der Hand. Und schlüpfte in eine Rolle, die mir gänzlich fremd ist, die des Motivators. Bis zuletzt waren David, Sylvain und Arthur unsicher, ob überhaupt Leute kommen würden um die New York Dolls zu sehen. Bedenken, die ich zerstreuen half.

Und deshalb sehr angenehm berührt war, als alle Tickets im Nu vergriffen waren. Ich war aufgewühlt und sehr stolz. Immerhin hatten mich nicht wenige für verrückt erklärt, weil ich diese Band 30 Jahre lang hochhielt, bei jeder Gelegenheit. Und nun standen sie auf der Bühne der brechend vollen Royal Festival Hall und zeigten es diesen Zweiflern. Sie waren exzellent.“

Wie kostet man ein solches Gefühl des Triumphes aus?

„So wie ich es immer tue, wenn ich recht behalte. Im Stillen, für mich. Das ist süßer, als damit hausieren zu gehen. Obwohl ich in dieser Nacht einer solchen Versuchung nur schwer widerstehen konnte. Sie hatten ja kaum geprobt, sich ewig nicht gesehen, und der Druck war enorm. Ich selbst war natürlich nervös, ließ es mir aber nicht anmerken.“

Nun ist die Royal Festival Hall nicht gerade Max’s Kansas City. Wie hat sich die Atmosphäre des Kulturtempels auf die Show ausgewirkt?

„Kaum, obwohl es beim Soundcheck noch seltsam anmutete. Abends aber war der Laden so voll, die Nerven lagen so blank, dass der Rahmen in den Hintergrund trat. Im übrigen ist David ein Performer, der zu projizieren weiß“

Das Presse-Echo war sehr positiv, doch kaum ein Kritiker verzichtete darauf, die Stones ins Spiel zu bringen.

„Ich weiß, mich hat die Charakterisierung der Dolls als Stones-Clones‘ schon immer geärgert. Ich höre und sehe erheblich mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Kein Vergleich. Die Stones selbst legten in Bezug auf die Dolls eine schamlose Distanz an den Tag. Keith Richards, dem ich das Cover der ersten Dolls-LP einmal direkt vor das Gesicht hielt, lachte nur, winkte ab und murmelte etwas von Epigonen, für die er keine Zeihabe. Ignorant.“

Wenige Wochen nach der Reumon starb Arthur Kane.

„Ja, das war niederschmetternd, einfach schrecklich. Sieht so aus, als klebe eine Seuche an dieser Gruppe. Kaum zu glauben. Gerade als endlich einiges ins Lot kommt und die Presse Anerkennung zollt, tritt Arthur ab. Sylvain und David konnten es nicht fassen. Niemand konnte das. Deprimierend. Andererseits durfte er kurz vor seinem Tod noch ein fantastisches Hoch erleben und die Sorte Aufmerksamkeit genießen, die ihm so lange versagt wurde. Nicht zu spät, das immerhin ist tröstlich.“

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