5 Gründe, warum „Twin Peaks“ erneut TV-Geschichte schreibt

„Twin Peaks: The Return“ ist mehr als nur eine Fortsetzung der kultisch verehrten Mystery-Reihe aus den 90ern. Mit im TV bisher nie gesehenen Bildern und einer atemberaubenden erzählerischen Freiheit definiert David Lynch noch einmal neu, was das Serienfernsehen zu leisten in der Lage ist.

4. David Lynchs Schwanengesang (?)

Noch bevor die erste Folge der neuen „Twin Peaks“-Staffel zu sehen war, kündigte David Lynch an, dass er sich endgültig vom Regiesessel zurückziehen wolle. „Inland Empire“, diese so wirre wie philosophisch aufschlussreiche Kunst-Collage, wäre damit sein Endspiel gewesen. Doch möglicherweise liegt hier auch ein Fehlschluss vor, denn der Amerikaner hat sich nie als Filmemacher definiert. Stattdessen verwirklichte der gelernte Maler seine nahezu einzigartige Vision einer strange world, eines beunruhigenden lynchland, in allen ihm zur Verfügung stehenden Feldern.

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Lynch ist ein Universalkünstler, der malt, fotografiert, Songs schreibt, Klänge findet, Möbel entwirft, Comic-Strips schreibt und zugleich die Menschen mit Transzendentaler Meditation befrieden möchte. „Twin Peaks: The Return“ könnte nun sein Schwangengesang sein. Jede der Folgen trägt unverkennbar seinen inszenatorischen Stempel. Hinzu kommt, dass jede Episode ihren eigenen Erzählrhythmus hat. Allein die befremdliche Langsamkeit der Dialoge und die eigenwillige Sprache der Figuren, die zuweilen an eine Mischung aus Kafka und Beckett erinnert, sind eine zutiefst ungewöhnliche Erfahrung im Fernsehen, die viel Raum öffnet für Interpretationen.

Zugleich kehrt der Filmemacher auf jede erdenkliche Art zu seinen eigenen Schöpfungen und Traumgebilden zurück, die Produzenten weltweit anscheinend in den letzten Jahren nicht mehr für die große Leinwand finanzieren wollten. Nun gibt es sie noch einmal im Fernsehen zu sehen – in einer schwindelerregenden, mit jeder Folge spürbar ausgedehnten Komplexität. Jede Szene ist ein Kunstwerk für sich, manchmal absurd-komisch und beunruhigend zugleich.

Dougie (Kyle McLachlan) mit Janey (Naomi Watts)

Wie alle großen Surrealisten und Expressionisten (Lynch zitiert ausgiebig Bacon – denken Sie an den schaurigen Glaskasten, in dem sich das ‚Monster‘ gleich in der ersten Folge entwickelt, Magritte, Bunuel, Crewdson, die Quay-Brüder, Jodorowsky, de Chirico, Kienholz) verfolgen diese Bilder ein Programm, eine in allen Werken des Künstlers eingeschriebene, aber zu enträtselnde Philosophie.

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Viele Interpreten haben darin in der Vergangenheit ein postmodernes Programm vermutet. Doch die brisante Aktualität der Lynch-Bilder in „Twin Peaks“, die Folge für Folge einen atmosphärischen Eindruck vermitteln, wie es uns Menschen in einer Welt geht, in der die nächste Finanzkrise, ein unverständlicher Klimawandel und Donald Trump am Horizont lauern (freilich bleibt das alles unausgesprochen!), besteht vor allem darin, dass wir mit Hilfe von bekannten Figuren und Tableaus in eine Symbolwelt eintauchen dürfen, die wie ein unheimliches Zerrbild unserer Gegenwart erscheint. Ist die Postmoderne im postfaktischen Zeitalter schon Realität geworden?

Möglicherweise ist „Twin Peaks“, wenn es denn der filmische Schlussakkord Lynchs bleibt, so etwas wie der Schlüssel zu seinem Gesamtwerk, das unsere Welt aus dem Blick eines (alb-)träumenden Kindes betrachtet.

Seite 5: Die unheimlichsten Bilder der TV-Geschichte

Shwotime
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