Wein & Werbung

Der edle Tropfen heißt „Planet Waves“, kostet rund 60 Dollar das Fläschchen und trägt Bob Dylans Signatur auf dem Etikett. Signore Bob, so versichert die italienische Kelterei, degustiere höchstselbst. Natürlich auch seine Marke „Visions Of Johanna“, bei der es sich dem Vernehmen nach nicht um eine Spätlese, sondern um eine sogenannte Trockenherrenauslese handeln soll. Kein Wunder, dass der Dichterfürst unter die Weinproduzenten gegangen ist. Das lukrative Geschäft mit dem bourgeoisen Gesöff verhilft längst auch anderen Sangeskünstlern zu erklecklichen Nebeneinkünften, darunter Cliff Richard, AI Stewart und Mick Hucknall. Im übrigen dürfte es perfekt in Dylans breit gefächertes Portfolio passen, zwischen Fitnessbuden und Forstwirtschaft. Ein veritables Wunder allerdings, dass es noch keinem Bobexegeten einfiel, ein Buch über den so jähen wie erstaunlichen Bedeutungswandel von „All Along The Watchtower“ zu schreiben. Immerhin kommt der Zeile „businessmen, they drink my wine“ nun eine seherische Dimension zu. Und, heutzutage live performiert, ein schockierendes Maß an Realismus.

Mehr verdient wird im Halbdunkel des nicht von ungefähr so bezeichneten Party Circuit: Auftritte bei privaten Gelegenheiten, gebucht von einer obszön betuchten Klientel. Es gelten die bewährten Regeln von Angebot und Nachfrage, und da letztere inflationär steigt, herrscht eitel Freude bei der Pop-Elite. Grövaze (größte Verdiener aller Zeiten) sind hier wie im öffentlichen Konzertbetrieb natürlich die Rolling Stones. Ließen die sich in den Neunzigern eine 90-Minuten-show vor der Pepsi-Belegschaft auf Hawaii noch mit drei Millionen Dollar vergelten, musste der texanische Milliardär David Bonderman anlässlich seines Geburtstagsfestes im November 2002 bereits den dreifachen Betrag hinblättern und bekam dafür nur eine 45-minütige Performance in Las Vegas. Gleichwohl zeigten sich der Gönner und seine 400 Gäste „delighted“, wie „Forbes“, das Magazin für maßlos Begüterte, beflissen meldete. Inzwischen ist der Stones-Tarif für private Bookings weiter gestiegen. Was die Deutsche Bank neulich für den Gig in Barcelona investierte, ist nicht verbürgt, doch eruierte die „Sunday Times“, dass da unter zehn Millionen nichts mehr zu holen sei. Die Eagles täten es freilich für die Hälfte, Fleetwood Mac sind für ein Drittel zu kriegen, Elton John kommt für zwei Millionen, Bob Dylan und Paul McCartney nehmen gar mit einer vorlieb. Auch für den noch kleineren Geldbeutel ist die Auswahl noch riesig. Niedrige sechsstellige Beträge reichen bereits, um sich James Taylor oder Paul Simon ins Haus zu holen, für noch weniger unterhalten Al Green, Beck oder Sheryl Crow. Und wer seine Gäste mit Rap-Reimen verwöhnen möchte, bekommt Snoop Dogg oder Busta Rhymes zum Discount-Preis. Street-Ievel, so to speak.

Die beliebteste Nebenerwerbsquelle arrivierter Musiker ist indes die Werbebranche. Kaum ein Markenartikler, der sein Produkt nicht gern mit den Hits von gestern schmückt, kaum ein Künstler, der sich lange ziert, wenn die Marketing-Budgets verteilt werden. Willkommene Prämien für Leistungen, die ja vor Jahrzehnten erbracht wurden. Vornehmlich in den 60er Jahren, denn die waren so herrlich freaky und flatterhaft. Und aufmüpfig! So begehrt sind die widerspenstigen Gassenhauer der Swinging Sixties bei der werbetreibenden Wirtschaft, dass nicht nur die Preise für erstklassige Hitware explodierten, sondern dass die bequem verdienten Einkünfte für manchen verdienten Songschreiber inzwischen weit höher liegen als die aus aktueller Musikproduktion. Mehr als zwölf Millionen Dollar strich Ray Davies für ein Hitpaket der Kinks ein, das nun buchstäblich Waschmittelreklame macht. Sowie für andere Errungenschaften: „I’m Not Like Everybody Else“ bewirbt individualistisch IBM-Computer, „Everybody’s Gonna Be Happy“ kurbelt den segensreichen Pillenkonsum für die Abbott Laboratories an. Emblematisches Liedgut von Bob Dylan, Nick Drake, The Who oder Led Zeppelin hilft, den Absatz von Autos zu optimieren, und vor den Stones-Klassikern „Paint It Black“ und „She’s A Rainbow“ gibt es nicht nur im deutschen Fernsehen seit vielen Wochen kein Entrinnen (Foto). Über die ursprüngliche Botschaft der Songs macht sich in den Werbeagenturen offenbar niemand Gedanken. Sonst könnte Nina Simones „Ain’t Got No/I Got Life“ schwerlich für Molkereiprodukte eingesetzt werden, Ray Charles‘ „Unchain My Heart“ für Abführmittel, James Browns „Sex Machine“ für Coffee-Pads oder The Velvet Undergrounds „Venus In Fürs“ für Gürtelreifen. Wobei schwarzes Gummi ja durchaus SM-Konnotationen hat. Ein Zufall, mehr nicht.

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