Kriemhild in cool

Die Schauspielerin Jasmin Tabatabai gilt bei Regisseuren als der "spezielle Typ" - für sie hat das eigentlich nur Vorteile

Dass sie den schweren Sarg über die Bühne ziehen muss, hätte Jasmin Tabatabai mit ein bisschen Verfolgungswahn auch als eine von Wedels Schikanen interpretieren können. Hat sie aber nicht, denn am Ende wäre es ein Zeichen von Angst, und Angst hat Tabatabai schon per Definition keine. Außerdem tut Dieter Wedel niemandem was. Heute schon gar nicht, weil die rheinland-pfälzische Kultusministerin da ist und die Presse ins Wormser Festspielhaus gekommen ist, wo Wedel, mindestens Deutschlands größter lebendiger Regisseur, mit einem feinherb abgeschmeckten Kreis edelster Schauspieler seine sechsten Nibelungenfestspiele probt.

Mit der Aura des freundlichen Deutschlehrers erklärt Wedel die Details des Skripts von Moritz Rinke, nachdem sie spielen. Sagt:

„Wir können es noch nicht vorspielen und wollen es auch nicht. In vier Wochen ist Premiere, da wollen wir auch nicht, aber da müssen wir.“ Dann kommt Jasmin Tabatabai im schwarzen Kleid und mit Riemchenschuhen, schleift den Sarg hinter sich her, stoppt als Kriemhild und Burgunder Heldin die Konversation am Tisch von König Günther und fragt penetrant ins Nichts, wer ihren Mann Siegfried ermordet habe. Obwohl alle wissen, dass sie es weiß. Auf den Festspielplakaten, überall in der Stadt, posiert sie mit Schwert exakt wie Uma Thurman bei „Kill Bill 2“, einem anderen großen Epos über weibliche Rache. Eigentlich sei ihre Kriemhild von Ulrike Meinhof inspiriert, hat Tabatabai letztes Jahr gesagt. Jasmin Tabatabai setzt ihre Sonnenbrille auf. „Ist das okay? Ist so hell hier.“ Und um zu erklären, warum sie überhaupt fragt, murmelt sie: „Die ist ja ganz ganz schwierig, die Tabatabai…“

Schwierig nicht, eher: speziell. Sie sei „der spezielle Typ“, bekomme sie immer wieder von Film und Fernsehleuten gesagt, „vor allem von Vertretern der Privatsender, die ja immer noch große Probleme haben, mich zu besetzen“, sagt Jasmin Tabatabai mit säurehaltigem Unterton und der reizenden Genervtheit, die sie oft in der Stimme hat. Dieter Wedel ist ihr dagegen regelrecht hinterhergejagt, wollte sie eigentlich schon für den Semmeling-Film von 2000 (da war sie aber noch zu jung), wollte sie für seine erste Nibelungen-Show 2002 (da war sie aber schon zu schwanger). Seit 2006 spielt sie bei ihm zum ersten Mal nach 13 Jahren wieder Theater – damals: Postdam, Stuttgart -, musste letztes Jahr im dünnen Hemdchen durch die mörderische Kälte am Wormser Dom und fand das alles ziemlich aufregend.

Rastet der Intendant Wedel denn wirklich so oft aus, wie die Legende besagt? „Eigentlich gar nicht“, sagt Jasmin Tabatabai. „Nur manchmal. Und dann weiß man auch, warum. Ehrlich gesagt finde ich Choleriker viel sympathischer als Leute, die alles hintenrum machen.“

Tabatabai hat ja schon mit Helmut Dietl. Oskar Roehler und Hai Hartley gedreht, hat im großartigen „Fremde Haut“ eine lesbische iranische Frau gespielt, die sich als Mann ausgibt, um Asyl zu bekommen, hat Edith Piaf synchronisiert, mit der Countryrock-Band Even Cowgirls Get The Blues in den Neunzigern Leute erschreckt. Frauen- und Glamour-Zeitschriften interessieren sich sehr, wenn bei ihr privat irgendwas ist. Gefühlsmäßig steckt man Jasmin Tabatabai schon in die Mittneunziger“Abgeschminkt“-Generation, aber vom bösen Schicksal blieb sie verschont. Vielleicht, weil sie so speziell ist.

Kulturgut

Die ikonische Tabatabai-Rolle bleibt Lunain Katja von Garniers „Bandits“ von 1997, einem so rasend erfolgreichen wie ätzend verrissenen Film: die schmirgelraue Chefin der Gefängnis-Girl-Band, die nach dem Ausbruch von Polizei und Fans gejagt wird. Tabatabai hatte genau die richtigen Augenbrauen dafür, das richtig Tomboyische, dazu das Musiktalent, um den Soundtrack zu schreiben. Nicolette Krebitz, genannt Coco, ist heute noch eine ihrer engsten Komplizinnen und als Autorin und Mitsängerin auch auf Tabatabais neuer Platte „IRan“ dabei.

„.Bandits‘ ist ja überhaupt so entstanden, dass Katja von Garnier Coco und mich zusammen gesehen hat“, sagt Jasmin Tabatabai, „und die spezielle Energie, die wir haben. Dieses – yeeeeahl Wir sind früher immer losgezogen, durch Berlin, überall rein, eine Stunde Witze erzählt, Luftgitarre gespielt, haben uns danebenbenommen, sind wieder abgehauen. Nicht besoffen, einfach so räääääh! Und alle: Oh Gott, sie kommen schon wieder…“

„Female Macho“ stand mal auf einem von Tabatabais berüchtigten Lieblings-T-Shirts. Anlegen würde man sich mit ihr- bei allem infantil Verstürmten, das sie oft ausstrahlt – lieber nicht, denn es tut sicher weh, wenn sie zuschlägt. Aber um bloß die harte Lulu zu sein, ist sie wieder viel zu schön, allein schon auf den Haremsfotos zur neuen Platte, und einfachheitshalber ist man dann geneigt, das alles auf die Kindheit zu schieben. Tabatabai kam in Teheran zur Welt, hat als Kind noch viel von den wirklich beschränkten Frauenbildern mitbekommen. In Deutschland – nach der Flucht vor der Islamischen Revolution – riet man ihr später, sie solle sich als Migrantentochter mal keine allzu dollen Hoffnungen machen für die Schauspiel-Laufbahn.

Also kaum verwunderlich, dass Jasmin Tabatabai lieber ein bisschen zu viel auf Rock’n’Roll macht als zu wenig. Dass sie bei der Lit. Cologne aus den Kurt-Cobain-Tagebüchern las, mit dem Spruch „Wir haben es nötig, Mädels!“ und brennender Zigarette im Mund süffisant auf dem Titel der „Emma“ grinste. Die beste Kriemhild, die wir haben. Ihre Tochter wird fünf, im Moment ist sie alleinerziehend, und kurz nach dem 40. Geburtstag hört man von Tabatabai alles, bloß nicht die alte Klage, dass man als Frau da keine gescheiten Rollen mehr kriege. „Seit ,Sex & The City‘ ist doch alles anders.“

„Trotzdem“, resümiert sie ausatmend, wenn sie über die Medienbranche gesprochen hat, „haben wir in Deutschland ein Problem: eine unglaubliche Spießigkeit auf den Chetetagen. Immer dieselben Schauspieler, dieselben Filme, alles wahnsinnig engstirnig und langweilig. Das muss man so drastisch sagen.“ Unter solchen Umständen der „spezielle Typ“ zu sein – vielleicht gar nicht übel. Man macht weniger, aber die interessanten Sachen. Die Nibelungen dauern bis 5. August, im September kommt das Album, im Oktober geht sie auf Rock-Tour.

„Neulich hab ich diesen ,Rosa Roth‘-Dreiteiler gedreht“, erzählt Jasmin Tabatabai cool und aufgeregt, „da habe ich eine Aurtragsmörderin gespielt. Immer reinkommen, zack, krrr, bchchch, Leute humorlos abknallen, wieder raus. Eine super Genre-Rolle. Aber dann ist es auch wieder toll, einen Krimi zu machen, der ganz expressive Szenen hat. Jeder Schauspieler ist letztendlich ein Kind. Und will spielen.“ Ein kleines oder großes Räääääh kann einem da erstaunliche Freiheiten bringen.

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