Roter Winter :: Annemarie Weber

Annemarie Weber pflegt in "Roter Winter" eine entrückte Erzählperspektive

Eine seltsam entrückte Erzählper­spektive zeichnet diesen Roman aus, wenngleich er erstmals 1969, also in der Zeit der Studentenrevolten, erschien. Im Zentrum steht ein bürger­lich-liberales Paar, nur nehmen die in der Modewerbung erfolgreichen Eheleute die Tumulte in den Arbeiterbezirken lieber aus sicherer Distanz im westlichsten Westberlin wahr: bei erlesenen Drinks und provokativem Plausch zu Musik „von Beat bis Bach“. Manchmal trauen sie sich heraus. Lili, um die 50, lebt ihre Unterwerfungsspielchen mit einem lausig gekleideten Marxisten aus, beide gehen aufgebrezelt auf Demos, denn sie haben einen gemeinsamen Feind: „Die bösartigen, hässlichen Spießer sind eigentlich eingekreist: vom höchsten snobistischen Esta­blishment und der revolutionären Jugend, die sich, ganz nebenbei, diesen ästhetischen Werten begeistert hingibt.“ Das wiederaufgelegte Buch der 1991 verstorbenen Feuilletonistin, Lektorin und Größe der Berliner Boheme Annemarie Weber ersetzt so manch aktuellen Versuch, das alte Westberlin prosaisch wieder aufleben zu lassen. Mit sprachlicher Eleganz rückt es der geteilten Stadt bedrohlich auf die Pelle.

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