Southside Johnny & The Asbury Jukes

Fever – The Anthology 1976-91

Raven Records

Sein unlängst veröffentlichter Tom-Waits-Tribute „Grapefruit Moon“ ist ein für seine Verhältnisse so absolut untypisches Projekt, dass sich mancher zu Recht fragen wird, wer dieser Southside Johnny ist, was er vorher so alles angestellt hat und ob sich die Beschäftigung damit möglicherweise lohnt. Denn die nach langer Schaffenspause in den letzten Jahren auf dem eigenen Leroy-Label erschienenen Platten dürften vornehmlich eingeschworene Fans kennen, die ihn vor Jahrzehnten als Sänger der Asbury Jukes schätzen lernten.

Sein ganz famoses und außerordentliches Comeback-Album „Better Days“ von 1991- damals wieder mit Steve Van Zandt und Bruce Springsteen an Bord- ist mittlerweile, auch wenn seit 1996 nie mehr von MCA regulär veröffentlicht, wieder via Mailorder im Netz erhältlich. Die seit 1976 bei knapp einem halben Dutzend Plattenfirmen veröffentlichten Originalplatten sind im Gegensatz zu Live-Mitschnitten neueren Datums weitgehend aus dem Katalog gestrichen. Anders als John Hiatt hatte er keinen Ry Cooder, der ihn während einer Durststrecke seiner Karriere durchgefüttert und schließlich einen Neubeginn für dieselbe geschaffen hätte, nachdem der von David Geffen gefeuert worden war. Wenn alles mit (ge)rechten Dingen zugehen würde, wäre auch ein Peter Wolf nicht in Vergessenheit geraten. Aber das mit dem „It’s the singer, not the song“ stimmt ja sowieso schon lange nicht mehr. Für Veteranen mit einprägsamen Songs- egal ob Leonard Cohen, Neil Diamond oder Eagles – waren die Zeiten eigentlich nie besser.

Genau das war im Grunde ein Problem für Southside Johnny alias John Lyon: Er verließ sich zunächst viele Jahre auf einige höchst qualifizierte Songschreiber um ihn herum, die ihm – allen voran zunächst Miami Steve Van Zandt- maßgeschneiderte Vorlagen lieferten, die nur noch entsprechend für die Band arrangiert werden mussten. Um so eine zehnköpfige Band samt angeschlossenen Familien in den 70er Jahren zu unterhalten, hätten sich die Platten von Southside Johnny & The Asbury Jukes schon eher in Größenordnungen wie „Hotel California“ verkaufen müssen. „This Time It’s For Real“ schaffte es aber als zweite und erfolgreichste der frühen Epic-LPs gerade mal auf Platz 85 der Hitparade. Die folgende, „Hearts Of Stone“, wählte der US-ROLLING STONE zwar später mal unter die hundert besten LPs der 70er Jahre. Aber auch in der Mercury-Ära danach hob die Karriere der Band nicht wirklich so richtig zum erwarteten Höhenflug ab.

Die Plattenfirma wirbt auf dem Sticker mit dem Superlativ „the greatest bar-room band ever!“ für diese Retrospektive. Der entscheidende Grund für den bescheidenen Erfolg war möglicherweise doch, dass diese Big Band in der ganzen Konzeption von Anfang an das gewesen war, was man im Branchenjargon einen oldies act nennt. Bei „This Time It’s For Real“ etwa tauchten als prominente Gäste Coasters, Drifters und Five Satins auf, berühmte Namen wie jene, an die sich Paul Simon dann in „René and Georgette Magritte With Their Dog After The War“ so nostalgisch erinnern sollte. Mit ihrem bläserlastigen Soul erinnerte die Band an die große Stax/Volt-Ära, berief sich anderswo auf den jungen Marvin Gaye und triumphale Tamla Motown-Zeiten, beschwor auch gern die Wonnen von Rhythm & Blues und dem tatsächlich guten (ur)alten Rock’n’Roll. Aber das war in der Dämmerung der heraufziehenden Disco-Ära ein so konsequentes Retro-Konzept, dass man das schon als sehr mutig bezeichnen darf, wie sich Sänger und Band kompromisslos dazu bekannten.

Auch die beiden Songs- „The Fever“ und „You Mean So Much To Me“- die Bruce Springsteen für das Debüt lieferte, waren Gospel- und Pop-Material, das- vielleicht maßgeschneidert für den Kollegen- auf jeder seiner Platten damals wie Fremdkörper geklungen hätten. Heute finden nachgeborene Zeitgenossen den Retro-Charme von Steve Van Zandts Titelsong oder „Sweeter Than Honey“ vielleicht wieder ungemein reizvoll. Aber damals standen die Zeichen der Zeit für Retro nicht gut. Die „Songs In The Key Of Life“ lieferte da justament Stevie Wonder.

An der schieren Klasse von „Love On The Wrong Side Of Town“- eine gemeinsame Großtat von Springsteen und Van Zandt- gibt es nichts zu deuteln. Gar nicht überhören konnte man, dass beide große Fans von Roy Orbison, Righteous Brothers und Phil-Spector-Pop waren. Tatsache ist aber auch: Aus Songs dieses Kalibers machte Jack Nitzsche damals gleichzeitig bei den Sessions zu den ersten beiden Mink DeVille-LPs als einiges genialerer Produzent Allzeit-Klassiker ohne jedes Gramm Nostalgie.

Neben dem Titelsong steuerte Springsteen für die dritte LP das ausnahmsweise rockigere „Talk To Me“ bei, auch herausragend in der unterm Strich durchweg besten Songkollektion der Band. Selbst den kann man sich – wie auch das wunderbare „This Time Baby’s Gone For Good“- in einiges grandioserer und originellerer Jack-Nitzsche-Produktion vorstellen.

Den Unterschied machte beim Mercury-Debüt „The Jukes“ sofort hörbar Muscle-Shoals-Crack Barry Beckett, nicht zuletzt was den plötzlich viel fetzigeren Bläser-Sound angeht. Den verschlankte Beckett (mehr James Brown als Stax im Kopf) so weit, dass diese Maßnahme vielleicht auch mit dazu beitrug, dass die LP die bei weitem erfolgreichste von allen der Asbury Jukes wurde. Zur Ehrenrettung von Steve Van Zandt muss unbedingt gesagt werden, dass er als Produzent bei dem Comeback-Versuch „Better Days“ zu großer Form fand. Ganz abgesehen davon, dass Nostalgie-Stücke wie „Coming Back“ oder „It’s Been A Long Time“ (es gibt drei Kostproben von dieser Platte hier) klar Springsteen-Schule zeigen, aber auch einen überaus gelehrigen Schüler, letzteres ganz ungeniert ein großes Nostalgie-Fest. John Lyon trotzig in den Liner Notes: „I don’t look back on it, I’m always looking towards the future like everybody else.“ Was man trotz der Vergangenheit- hier kondensiert auf 20 Aufnahmen- verstehen kann. (Raven Records)