Der Glückspilz

Lebenskrise überstanden: Bob Geldof über die Liebe und den Drang, Songs zu schreiben

Bob Geldof hat sein Leben einmal „eine verdammte Seifenoper“ genannt, und so lesen sich die Stationen auch: Als armer irischer Schlucker die Boomtown Rats gegründet, mehrere Nummer-eins-Hits gehabt, 1985 „Live Aid“ organisiert, seitdem leider kaum noch als Songschreiber bekannt. 1995 Ehefrau Paula Yates an Sänger Michael Hutchence verloren, der sich zwei Jahre später umbrachte. 2000 starb auch Yates, an einer Überdosis Heroin. Vier Töchter, eine davon, Peaches, oft in den Schlagzeilen. Wird nicht gern Sir genannt. Sieht auch nicht so aus. Er flätzt entspannt im Hotelzimmersessel und ist erleichtert, dass er neben all seiner karikativen Arbeit endlich ein neues Album geschafft hat: „How To Compose Popular Songs That Will Sell“. Seine gute Stimmung erhält er sich an diesem Abend mit mehreren Mitteln: „Ich trinke Tee, um wach zu bleiben, und Rotwein, um zurechnungsfähig zu bleiben.“ Bescheidenheit war nie sein Ding.

Warum haben Sie zehn Jahre seit Ihrem letzten Album, „Sex Age & Death„, vergehen lassen?

Ich kann nur Musik machen, wenn mich etwas dazu drängt. Meistens, wenn ich verstehen will, was ich gerade erlebt habe. John Lennon sagt in dem Song „Julia“: „When I cannot sing my heart, I can only speak my mind.“ Ich habe extrem viele Gelegenheiten, meine Meinung zu sagen, aber wann kann ich mit Musik mal mein Herz ausschütten? Das wird nicht so oft gewünscht. Hin und wieder muss dann alles raus, sonst erstickt man.

Welche Erkenntnis hat Ihnen dieses Album gebracht?

Ich habe sehr spät im Leben erkannt, was alle anderen längst wissen: dass Liebe tatsächlich die einzig erlösende Kraft ist. Sie verändert alles. Auch wenn zehn Jahre zwischen den beiden Alben vergangen sind, gehören sie zusammen: Sie beschreiben einen langen Weg. Ich bin nie zufrieden, ich werde es sicher niemals sein, aber ich bin glücklicher, weniger rastlos. Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich durch – warum zögere ich immer noch, es auszusprechen? – die Liebe meiner Agonie entkommen kann.

„Sex Age & Death“ handelte von Ihrer verheerenden Verfassung nach der Scheidung. „How To Compose …“ klingt wie eine große Liebeserklärung an Ihre jetzige Frau.

Die beiden Frauen in meinem Leben waren bzw. sind erstaunliche Frauen – damals Paula, heute Jeanne (Marine, eine französische Schauspielerin). Sehr schön, sehr clever, sehr lustig. Ich weiß gar nicht, warum ich so viel Glück hatte! Und dann noch die tollen Kinder. Trotzdem hadert man ständig.

Seit Jahren sehen die Menschen Sie eher als Aktivisten, weniger als Musiker. Stört Sie das?

Ja! Aber manche Dinge entwickeln einfach ein Eigenleben. Inzwischen wird „I Don’t Like Mondays“ in der Schule durchgenommen. In England erforschen sie „Live Aid“ im Rahmen des Geschichtsunterrichts. For fuck’s sake! Wie peinlich für meine Kinder!

Wünschten Sie, Ihre Kinder stünden weniger in der Öffentlichkeit?

Ach, was soll’s. Mein Opa war Bäcker, also wurde mein Vater Bäcker. Meine Töchter sind mit dem Mediengeschäft aufgewachsen, mit Paula als Moderatorin, mir als Popsänger – sie kennen nichts anderes: Fernsehstudios, Bühnen, Reisen. Es war klar, dass die eine oder andere dort landet. Sie kennen die Vor- und Nachteile. Trotzdem waren sie natürlich nicht auf den Rummel vorbereitet. Ist man nie. Es ist immer schrecklich. Aber kein Grund zu jammern. Meine Lösung lautete: komplett ehrlich sein! Als ich vor zehn Jahren erzählt habe, dass ich mich nach der Trennung entmannt fühlte, waren die Reaktionen überwältigend. Man muss sich trauen, auch über so etwas zu sprechen. Sogar im britischen Fernsehen!

Kostet das nicht Überwindung?

Nein, weil ich nicht finde, dass mir das peinlich sein muss. Mein Leben ist ja nicht so bizarr einzigartig. Viele erleben Ähnliches: Liebesaffären, die schiefgehen. Ärger zu Hause. Karriere-Knick. Meine Sorgen waren eben nur immer sehr öffentlich.

Sie werden im Oktober 60. Planen Sie eine große Feier?

Auf jeden Fall. 60 – unfassbar! Ich hole jetzt nicht den Gehstock raus, aber man darf sich nichts vormachen: Das ist der Beginn des hohen Alters.

Ihr Vater wurde 96. Wenn Sie so alt werden wie er, können Sie sich noch viel vornehmen.

Aber drei Wochen, nachdem er im Oktober 2010 starb, starb auch meine Schwester. Und meine Mutter starb schon mit 41. Wenn ich also alles zusammenzähle, bleiben mir noch zwei Jahre.

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