Der Libero: Zum Tod des großen Fußballkünstlers Franz Beckenbauer

Am 07. Januar ist der beste Libero der Welt im Alter von 78 Jahren in Salzburg gestorben. Ein Nachruf.

Es war wohl die „Bild“-Zeitung, die den „Kaiser Franz“ 1969 erfunden hat – da war Franz Beckenbauer, am 11. September 1945 in München-Giesing geboren, 24 Jahre alt und seit vier Jahren in der Nationalmannschaft. Bei der Weltmeisterschaft 1966 war er in die Mannschaft gekommen und hatte vier Tore erzielt. Es war noch Uwe Seelers Welt und schon Beckenbauers. Noch 1970, bei der WM in Brasilien, spielten die beiden Antipoden zusammen. Beckenbauer beschrieb Seeler später als Feuerlöscher, der mit rotem Kopf und unablässig redend über den Platz rannte. Während er, der Libero, mit ausgestrecktem Arm den Spielaufbau dirigierte.

Der Ball war selten weg

Die Eleganz von Beckenbauers Spiel und sein aufrechtes Laufen werden stets gerühmt. Der Kaiser selbst hat pragmatisch bemerkt, dass früher sehr bodennah und rustikal gespielt wurde: „Aber was soll ich hinterherlaufen, wenn der Ball weg ist?“ Der Ball war selten weg, und außerdem hatte er bei Bayern München seinen Adlatus Georg „Katsche“ Schwarzenbeck an der Seite, der die Grätschen machte.

Ob Franz Beckenbauers Trikot niemals schmutzig wurde, darüber gehen die Meinungen auseinander. Günter Netzer hält es für einen Mythos. Es gibt aber ein Foto, auf dem Netzer nach dem Spiel mit verdrecktem Hemd zu sehen ist – und Beckenbauer mit makellosen rot-weißen Streifen. 1972 waren sie gemeinsam in der legendären deutschen Mannschaft, die Europameister wurde.

Ein gutes Spiel

Aber Franz Beckenbauer kämpfte auch. Bei der Weltmeisterschaft 1974 rief der Kapitän nach der Niederlage gegen die DDR die Mannschaft zur Ordnung: Nur sechs, sieben Spieler seien engagiert gewesen. Und wer beim nächsten Spiel nicht aufgestellt werde, der sei zu Recht nicht dabei. Und er. sagte dem väterlichen, aber schwachen Trainer Helmut Schön, wer diese Spieler seien. Gegen Jugoslawien machte die deutsche Mannschaft dann ein gutes Spiel. Außerdem handelte Beckenbauer, telefonisch aus der Sportschule Malente, mit DFB-Präsident Hermann Neuberger einer höhere Siegprämie (plus VW Käfer) aus.

Im Finale gegen Holland trat er im Münchner Olympiastadion gegen Johann Cruyff an. Cruyff war der beste Spieler der Holländer und ein Held der Intellektuellen wie Günter Netzer in Deutschland, der nicht auf dem Platz stand. Beckenbauer interpretierte den Libero in diesem Spiel als Abwehrkämpfer. Deutschland gewann 2:1 – die Tore machten der kaltschnäuzige Paul Breitner per Elfmeter und der unnachahmliche Gerd Müller, zwei Bayern-Spieler. Den Weltpokal überreichte Bundespräsident Walter Scheel, erst einige Tage im Amt, Franz Beckenbauer. Unvergesslich, wie er die Trophäe in die Höhe stemmt, die schlichte Kapitänsbinde am Arm.

Franz Beckenbauer 1974

Schon 1967 hatte er mit Bayern München den Pokal der Pokalsieger gewonnen. Jetzt siegte der Verein dreimal nacheinander beim Pokal der Landesmeister – bis 1976. Mehr war in Deutschland nicht zu erreichen. Nach einer undurchsichtigen Steueraffäre ging Beckenbauer 1977 zu Cosmos New York, um die amerikanische Fußball-Liga aufzubauen. Pelé war auch da. Beckenbauer nahm den Auftrag ernst, er leitete die Mannschaft an. Abends hatte er einen Tisch im Studio 54. Andy Warhol fertigte einen Siebdruck von seinem Porträtfoto an. Beckenbauer sprach nur wenig Englisch, aber wie immer, wenn es nötig war, lernte er.

1981 kehrte er nach Deutschland zurück – und ging zum HSV, wo Günter Netzer mittlerweile Manager war. Netzer sah, dass sein Freund verletzungsanfällig war, weil er in New York auf Kunstrasen gespielt hatte. Beckenbauer war müde. Er wurde 1982 Deutscher Meister mit dem HSV und trat daraufhin zurück.

Der Team-Chef

Aber 1984 wurde er nach einer desaströsen Europameisterschaft als Nachfolger von Jupp Derwall installiert. Er zögerte, aber die öffentliche Stimme drängte ihn ins Amt. „Ich kann schlecht nein sagen“, so Beckenbauer. Bundestrainer konnte er nicht sein, weil er keinen Trainerschein hatte. Man nannte ihn Team-Chef. Kaiser tat’s aber auch.

Bei der WM 1986 in Mexiko hatte er die Mannschaft nicht recht im Griff – es gab Querelen um den zweiten Torwart Uli Stein, der nach Hause geschickt wurde. Deutschland wurde Vizeweltmeister. Beckenbauer studierte die Spiele der Gegner auf Video.

Im Sommer 1990 in Rom gewann Franz Beckenbauer die Fußball-Weltmeisterschaft zum zweiten Mal. Jeder Mensch, der es damals (und seitdem immer wieder) gesehen hat, kennt das Bild, wie Beckenbauer in der Mitte des Platzes herumschlendert, während die Mannschaft eine Ehrenrunde läuft.

Franz Beckenbauer, 1990
Franz Beckenbauer, 1990

Kein Wasser, sondern Weißbier

Er wurde dann Trainer und Präsident von Bayern München, Kolumnist, Orakel. Er holte die Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland. Außerdem war er der Organisationschef. Seit den 60er-Jahren wurde er von dem raffinierten Robert Schwan beraten, dem ersten Manager der Bundesliga – hier nicht so gut: „Ich hätte alles unterschrieben“, gestand er später. Hat er wohl auch. Er ging nicht über Wasser, er trank Weißbier. Er wurde gern gebraucht.

Es wurde nach den Enthüllungen um Bestechung und dubiose Zahlungen still um Franz Beckenbauer, er trat kaum noch auf. Während der Pandemie sah man ihn einmal bei einem Bayern-Spiel. Sein Sohn Stephan, eines von fünf Kindern, starb 2015 an einem Gehirntumor. Beckenbauer wurde am Herzen operiert.

Am Sonntag, den 07. Januar 2024, ist der beste Libero der Welt im Alter von 78 Jahren in Salzburg gestorben.

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