Hillarys Promi-Wahlhelfer: Warum Katy Perry, Springsteen und Co. heute nichts mehr bringen

Im Wahlkampf stand Amerikas Musikbetrieb geschlossen hinter Hillary Clinton. Trotz Jay-Z, Bon Jovi und Madonna hat am Ende Donald Trump gewonnen. Vom Ende einer amerikanischen Leitkultur.

Dieser Artikel erschien am 9. November auf welt.de

Hillarys Promi-Wahlhelfer: Warum Katy Perry und Co. heute nichts mehr bringen

Der Kanadier Neil Young hat nicht gesungen, nicht für Donald Trump und auch für Hillary Clinton nicht. Er hat aber erklärt, aus Kalifornien nach Kanada zurückzukehren, sollte Trump zum Präsidenten von Amerika gewählt werden. Auch er hat nicht damit gerechnet.

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Während andere Sänger immer wussten, wo sie stehen und was sie zu singen haben, stand Neil Young mal rechts, mal sang er links. Als Ronald Reagan an der Macht war, lobte er das Sternenkriegsprogramm. Als George W. Bush das Land regierte und die Schurkenstaaten angriff, schickte er in einem Marschlied Kampftauben gegen den Teufel hinterher. Und als ihm dämmerte, dass dieser Krieg ein Wahnsinn war, nahm er ein Album auf, um Bush die Wähler wieder abspenstig zu machen, spielte Antikriegslieder und stritt sich bei seinen Konzerten mit den schimpfenden Überpatrioten vor der Bühne. Wo Neil Young war, war immer was los.

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Am Tag, bevor die Amerikaner Donald Trump zum Präsidenten wählten, feierte in Philadelphia, der Stadt im letzten Bundesstaat, den Trump eroberte, Hillary Clinton ihre sogenannte Rally: Jon Bon Jovi rief den Wählern zu, sie säßen in der Weltgeschichte in der ersten Reihe, er stimmte mit Lady Gaga „Living on a Prayer“ an. Bruce Springsteen sang eine getragene Version von „Thunder Road“ und las vom Teleprompter eine Rede ab, in der er von der Ehre sprach, vor dem amtierenden Präsidenten und der neuen Präsidentin auftreten zu dürfen.

„Dancing in the Dark“

Er rief alle dazu auf, für die Vernunft zu stimmen, und versprach, der, dessen Namen er nicht aussprach, werde übermorgen schon ein böser Traum gewesen sein. Dann sang als Gebet, wie er es nannte, „Long Walk Home“ und „Dancing in the Dark“ als leichtfertige Prophezeiung, die sich umgehend erfüllte.

Wer Bruce Springsteen je gesehen hat, wie er „The Rising“ für John Kerry und Barack Obama sang, wie er dabei sein Kinn vorschob und mit den Stiefeln stampfte, ahnte schon, dass es diesmal nicht gut ausgehen würde. Dieser Popwahlkampf war ein Desaster. Von Jay-Z und Beyoncé, die überall beteuerten, Hillary Clinton sei die Größte, über Katy Perry in ihrem demokratieblauen „I‘m with Madame President“-Poncho bis zu Madonna, die auf dem Washington Square mit einer Sternenbannerpudelmütze statt „Express Yourself“ fröhlich „Express Herself“ sang und dabei so strahlte, als wäre die Wahl damit entschieden.

Dabei hatte schon 2004, bei Kerry gegen Bush, die Popkultur nicht mehr die Wähler und die Zeit auf ihrer Seite. Schon da war die Popmusik nicht mehr die Leitkultur Amerikas. Der Soundtrack des Liberalismus war in seinem Mutterland schon nicht mehr, was er einmal war. Der Rock ‘n‘ Roll, wie Amerikaner sagen, wenn sie Pop meinen, hatte bis dahin alles überlebt. Wie Richard Nixon den bedröhnten Elvis Presley zur Audienz bat und ihn feierlich zum Feldmarschall im Drogenkrieg beförderte. Wie Ronald Reagan seine Wähler auf das saubere Amerika Bruce Springsteens einschwor, aus „Born in The U.S.A.“ zitierte und alle, die Springsteen als Stimme des kleinen Mannes hörten, sprachlos machte.

„You Can’t Always Get What You Want“

Die Musik war immer stärker als die Politik, jedenfalls in Amerika, im Herbst 2001 wurde die wunde Seele der Nation mit Songs geheilt, mit Hymnen wie „The Rising“. Weil Obama selbst als Präsident ein Popstar war, konnte der Pop bei ihm noch mal politisch sein und das Politische noch einmal Pop. Für ihn sangen sie alle, in den Wahlkämpfen, zu seinen Amtseinführungen, im Weißen Haus. „Ich bin der Präsident, aber er ist der Boss“, konnte Obama sagen, wenn Bruce Springsteen für ihn da war.

Donald J. Trump Campaigns In Miami

Wie sich das Politische durch die sozialen Netzwerke verändert hat, ist Popmusik im digitalen Zeitalter nicht mehr die Tonspur dieser Welt, sondern ein Seitenarm des Stroms zur täglichen Zerstreuung. Man kann in der Mehrzweckhalle stehen, sich über die Hippielieder von Neil Young freuen und Donald Trump wählen.

Als Trump gewonnen hatte, ließ er einen Kinderchor ein Lied für Hillary Clintons Wähler singen: „You Can‘t Always Get What You Want“, den Klassiker der Rolling Stones aus Großbritannien. Einfach so.

Johnny Louis FilmMagic
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