JoyCut: Die nächste alternative Italo-Sensation

Die Dark-Wave-Progger feiern einen großen Orchester-Auftritt in der Altstadt von Bologna. Es gibt stehende Ovationen für die Lieblinge von Cure-Sänger Robert Smith.

In der schillernden Szenerie der Fußball-Ultras würde man von einer „Fanfreundschaft“ sprechen. Schalke 04 und 1. FC Nürnberg, Vfl Bochum und Bayern München oder auch Hertha BSC Berlin und der Karlsruher SC pflegen gemeinsame Erinnerungen. Wenn es zum Spieltag kommt, gibt es zuweilen einen Choreo-Gruß. In den Stehrängen hängt man sich eigens gefertigtes Motto-Merchandising um.

So weit reicht die Verehrung von The-Cure-Boss Robert Smith für die italienische Band Joycut dann nicht. Doch die Sache mit dem treuen Edelfan hat ohne Zweifel seine Richtigkeit. Das Neo-Wave-Trio aus Bologna gehört zu den Lieblingsbands der englischen Legende. Smiths hat wiederholt auf sein Faible für Soundmeister aus Bologna hingewiesen. Auch lud er sie zu seinem „Meltdown“-Festival nach London ein.

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Ähnlich wie die mega-erfolgreichen Glam-Rock-Kollegen von Maneskin entsprechen Pasquale Pezzillo, Gael Califano und Matilde Benvenuti sogar nicht dem tradierten Bild des Italo-Pops zwischen Gianna Nanini, Paolo Conte und Disco-Palme.

Mit ihrem düster gefärbten Electro-Prog-Zauber gelten sie als Pioniere der italienische Underground-Szenerie, die seit 2007 mit ihren meist instrumentalen Soundscapes unterwegs sind. Etwa im Vorprogramm von Arcade Fire, Editors, Art Brut, Modest Mouse oder The Chemical Brothers. Auf der Uhr stehen bislang vier Studioalben. Zuletzt „The Blue Wave“ von 2022.

Nachdem sie bereits in 74 Ländern auf drei Kontinenten in ganz unterschiedlichen Line-Ups zu Gast waren, sind sie ab Mitte Oktober auch in Deutschland, Österreich und in der Schweiz unterwegs.

Ihren ganz großen Auftritt hatten sie in ihrer Heimatstadt, im ehrwürdigen Teatro Comunale. Ein Auditorium für klassische Musik, mitten in der historischen Altstadt von Bologna. Die Musik von JoyCut eignet sich bestens für solche orchestrale Arrangements.

Das Konzert galt dann auch als Ereignis schlechthin zum Ende des Sommers. Selbst im fernen Seattle, wo die Band beim Radiosender KEXP eingeladen, war das ein großes Thema.

JoyCut starten mit Worten von Günter Anders

Und natürlich war der 1.500er-Saal gut gefüllt, als die Zeilen des deutsch-österreichischen Dichter und Philosphen Günter Anders aus seinem Hauptwerk „Die Antiquiertheit des Menschen“ als Spoken Word-Eröffnung den Reigen eröffneten.

Worte aus den 1950er Jahren, die inzwischen als düster-groteskes Vorzeichen des menschlichen Niedergangs erscheinen. Worte der Wahrheit, bevor das große JoyCut-Soundfass aufgemacht wird.

Die unheimliche Atmosphäre des Tracks „Sibiria“ schwebt durch den Saal, interpretiert vom vielköpfigen Orchester. Ein Kontrast zwischen Elektronik und Akustik, der sich mal aneinander reibt, um gleich darauf zu verschmelzen. Eingepackt in Percussion-Kaskaden oder den Drum-und-Bass-Loops von JoyCut.

Man führte so das Album „The Blue Wave“ auf, und streift den von Robert Smith so geschätzten Dark-Wave-Kosmos. JoyCut lassen das Orchester zwischenzeitlich schweigen und führen eine intimere Dimension ihres Werkes vor. Eine Coverversion von „Treasure“ von The Cure stimmt auf das große Finale ein.

Am Ende schiere Begeisterung und Standing Ovations für die Band im Zenit ihres Schaffens, unterstützt von renommierten Instrumentalisten wie Julian Zyklus, Rodrigo D’Erasmo, Vince Pastano, Giò Sada und dem Orchester mit Maestro Valentino Corvino am Dirigentenpult

Bologna hat einen großen Abend erlebt. Nach Gigs in Großbritannien sind sie nun mit der Band Archive auch in unseren Breiten unterwegs.

JoyCut live in Deutschland und Österreich

  • 25. Oktober LKA Longhorn – Stuttgart, 26. Oktober Schlachthof – Wiesbaden
  • 27. Okt Volkshaus – Zürich, 28. Okt Alhambra – Geneve, 29. Okt E-Werk – Erlangen
  • 30. Okt Backstage – München, 02. November Ottakringer Brauerei – Wien (AT)
Massimo Lovisco
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