Kritik: „Barbie“ – ein Kessel Buntes zu viel

In „Barbie“ will Greta Gerwig Kapitalismuskritik, feministische Botschaften und Schleichwerbung in einem Film vereinen. Leider gelingt ihr das nicht.

Es sind merkwürdige Zeiten für Filmfans. Seit Hollywood scheinbar die Ideen ausgehen, muss der Nostalgiegfaktor anstatt kreativer und neuer Ideen herhalten. Jedoch sind Comics mittlerweile ausgeschlachtet, und auch alte Franchises wie „Star Wars“ oder „Indiana Jones“ erwecken mehr Mitleid, als dass man ihre Rückkehr auf die Leinwand feiern möchte. Jetzt sind es also Konsumprodukte, die uns ins Kino locken sollen. Ob Videospiele oder Sneaker, Hauptsache der Wiedererkennungswert erzeugt den nötigen Hype. Und in diese Kerbe schlägt auch die neuste Nostalgie-Hascherei in Filmform: „Barbie“.

Obwohl der Streifen das etwas angestaubte Image der beliebten Plastikpuppe aufpolieren möchte, verliert sich „Barbie“ zu sehr in einer Handlung ohne richtigen Fokus, Figuren ohne Tiefgang und einem Kuddelmuddel an Themen.

Wie Barbie und Ken in die „echte Welt“ auszogen

Aber welche Story erzählt man überhaupt in einem Film über Barbie? Darüber musste sich Regisseurin Greta Gerwig („Ladybird“) mit ihrem Co-Drehbuchautor Noah Baumbach („Marriage Story“) den Kopf zerbrechen. Keine leichte Aufgabe – und die die beiden leider nicht meistern konnten.

Zum Plot: In ihrer sonst so perfekten Welt läuft auf einmal nicht mehr alles Rund für die „stereotypische Barbie“ (Margot Robbie). Zunächst läuft ihre Morgenroutine nicht mehr rund – und schließlich machen sich bei ihr Todesgedanken und Zellulitis breit. Zur Aufklärung der merkwürdigen Ereignisse zieht die Blondine gemeinsam mit ihrem platonischen Freund Ken (Ryan Gosling) in die „echte Welt“ aus, um das Mädchen zu finden, das mit ihr spielt. Die soll nämlich einen direkten Einfluss auf Barbie in der Barbie-Welt haben. Auf ihrem Weg erleben die Mattel-Produkte einige existentielle Abenteuer und treten sogar ihrer Schöpferin gegenüber.

Schon nach wenigen Minute scheint es, als wüssten weder „Barbie“ der Film noch die gleichnamige Hauptfigur so richtig, was sie eigentlich wollen. Barbies Motivation, sich in die „echte Welt“ aufzumachen, ist von Anfang an nicht wirklich zu erkennen. Noch weniger Motivation hat auch Ken, der sie begleitet. Der ist dabei, weil er Barbies Aufmerksamkeit erheischen will. Und außer, dass er ein Klotz am Bein ist und Gosling den komödiantischen Part gibt, braucht es die Nebenfigur nicht wirklich.

Barbie und Ken wechseln auf ihrer Reise von der „echten Welt“ wieder zurück in die Barbie-Welt, wobei beide Universen (deren Existenzen nie erklärt werden) gleichermaßen absurd sind. Alles wirkt so überdreht und überspitzt, dass kein Kontrast herrscht und die Frage aufwirft, wofür die zwei Welten eigentlich stehen sollen. Eine klassische „Fish-Out-Of-Water“-Story, in der die „echte Welt“ unserer Realität ähnlicher ist und Barbie und Ken sich in dieser zurecht finden müssen, hätte dem Film eventuell besser gestanden.

Und wo liegt überhaupt der eigentliche Konflikt? Der wird erst im dritten Akt überstürzt eingeführt, als Ken die Frauen-Power-Welt der Barbies in ein Patriachat verwandeln will. Warum? Er hat es eben in der „echten Welt“ so aufgeschnappt. Letztlich verläuft sich dann der Rest der Handlung in Meta-Humor und Anspielungen. Die eigentlich gut gemeinten Botschaften über Frau-sein, Feminismus, Identität und Existentialismus bleiben zwischen dem Gaga-Humor und grell-bunten Sets stecken. Das Thema der Unterdrückung der Frauen durch die Männer ist dabei viel zu dick aufgetragen und erscheint wie eine Vorgabe durch die Produzenten:innen. In diesem Aspekt verfängt sich „Barbie“ in genau den Klischees, über die sich der Streifen lustig machen will: Frauen-Power im Auftrag des Kapitalismus. An sich eine spannende Thematik, die jedoch mit der Subtilität eines Vorschlaghammers in die Köpfe der Zuschauer:innen gedroschen wird.

Ironie als Schutzschild vor jeder Kritik

Worin es bei „Barbie“ besonders krankt? Das Drehbuch. Der ansonsten liebevoll umgesetzte Film kann nicht entscheiden, was er sein will und an welches Publikum er sich richtet. Der Humor scheint für Kinder bis Jugendliche gedacht, die existentiellen Themen für Erwachsene. Den Spagat gelingt dem Streifen nicht. Neben all den gut gemeinten Botschaften ist das Werk auch noch eine Werbung für Mattels Spielzeuge. Nach einer Weile nerven die ständigen Product-Placements einfach und lenken ab.

Damit aber Gerwig und Baumbach die wahrscheinlich von Mattel und Warner Bros. Discovery gewollten Produktplatzierungen irgendwie unterbringen können, verpacken die Autor:innen alles in einer zehnfachen Schicht von Ironie. Diese Technik wendeten schon Tina Fey und Dan Harmon in ihren Comedy-Serien „30 Rock“ bzw. „Community“ an, um nicht allzu plump bei der Schleichwerbung rüberzukommen. Im Gegensatz zu den zwei TV-Comedy-Autor:innen aber sind weder Gerwig noch Baumbach Humor-Expert:innen, und die Masche ist allzu durchschaubar.

Da hilft es auch nichts, wenn Anspielungen auf Filmklassiker wie „2001: A Space Odyssey“ oder „Matrix“ uns der Ironie des Ganzen erst recht bewusst machen wollen. Der 1000. Gag mit der berühmten „Dawn of Men“-Szene aus Stanley Kubricks 1968er Werk oder Anspielungen an „blaue oder rote Pille“ sind einfach nur ausgelutscht und nicht mehr originell. Zumal jüngere Zuschauer:innen wahrscheinlich nicht verstehen werden, was es mit den Referenzen auf sich hat.

Wie so viele Elemente in „Barbie“, sollen diese wohl entweder den Nostalgiefaktor erhöhen oder dafür sorgen, dass die Absurdität des Streifens auch dem oder der Letzten bewusst ist. Ein öder Trend, mit den schon die Filme des Marvel-Universums darum herumkamen, Löcher im Plot oder unlogische Zusammenhänge zu erklären. Ist ja eh nicht ernst gemeint, also bitte nicht darüber nachdenken. Die Krone setzt dem Ganzen dann noch die Erzählerin (im Original gesprochen von Hellen Mirren) auf, die sich direkt an die Filmemacher:innen wendet. Wir haben’s kapiert, es ist ein Film.

Life in plastic, it’s not fantastic

Am Ende bleibt ein Film wie Barbies Traumhaus übrig: Von außen schick und grell-bunt, aber sehr durchschaubar und im Inneren fehlt es an Substanz. Eigentlich sehr schade, denn an manchen Stellen scheint es, als hätten Gerwig und Baumbach eine andere Richtung mit „Barbie“ einschlagen wollen.

Die spärlichen Momente, in denen die Heldin ihre Emotionen entdeckt und versucht herauszufinden, wer sie ist, lassen doch eine gewisse Tiefe erahnen. Warum nicht mehr davon? Auch zeigt Gerwig in diesen Szenen, wo ihre Stärken als Regisseurin liegen. Weiterhin holte sie viel aus den Hauptdarsteller:innen Robbie und Gosling heraus, die durchweg gut aufgelegt sind und den Plastikfiguren wenigstens etwas Leben einhauchen. Der restliche Cast bzw. die restlichen Figuren bleiben leider blass und leblos. Einzige Überraschung: Mit Emma Mackey, Ncuti Gatwa und Connor Swindells gibt es eine kleine „Sex-Education“-Reunion, auch wenn bis auf Swindells‘ Figur niemand sonst erwähnenswert wäre. Der Soundtrack hat mit Dua Lipa und Billie Eillish ein paar echte Pop-Größen parat und ist auch passend zu der knalligen Welt. Aber auch die Musik fährt wieder die Meta-Schiene, sodass es einen aus den dazugehörigen Momenten im Film rausnimmt.

Eventuell hätten sich Gerwig und Baumbach an dem konzeptionell ähnlichen „Lego Movie“ orientieren sollen. Der ist zwar genauso eine Dauerwerbesendung für die kleinen Plastikfiguren, aber dafür zielführender in seiner simplen Geschichte. Außerdem gelang es den „Lego“-Regisseurin Chris Miller und Phil Lord, sich auf ein Thema zu konzentrieren und dies im Kontext der Story und Figuren verständlich zu transportieren.

So kommt „Barbie“ aber wie eine überladene Party-Playlist beim Kirmes um die Ecke rüber: Ein Kessel voller Buntes, der allen möglichst gefallen will, sich aber nicht für eine Richtung entscheiden kann und schon nach einer halben Stunde nervt.

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