
Die größte Errungenschaft von Kurt Wagner ist die Ruhe. Die Alben von Lambchop sind freilich längst nicht mehr in erster Linie Songsammlungen, sondern Räume, in denen man Stille erfährt. Wehmütig fragil, wie vor ein paar Jahren auf „Mr M“ (2012), als Wagner den Tod des Freundes Vic Chesnutt besang, und mit fast surrealer Introspektion auf „FLOTUS“ (2016), das Lambchop ein neues Antlitz verlieh.
Natürlich ist diese Ruhe nicht einfach ein gemütliches Schweigen am Lagerfeuer – Wagner bearbeitet seine Gesangsrezitate/Rezitatgesänge mit Auto-Tune und Vocoder und erreicht so eine Entfremdung, die zunächst unwirtlich erscheinen mag, dann aber zu einer großen Nähe wird.
🛒 „This (Is What I Wanted To Tell You)“ von Lambchop hier bestellenFür dieses neue Album arbeitete Wagner mit Matt McCaughan, Schlagzeuger bei Bon Iver. McCaughan unterlegte A-cappella-Fragmente, die Wagner ihm schickte, mit Synthesizer-Arrangements, so ging es hin und her, bis in Nashville Saiteninstrumente, Schlagzeug (nicht selten elektronisches) und Piano dazukamen.
Letzteres ist oft das wichtigste Instrument auf „This (Is What I Wanted To Tell You)“. Die komplexen Harmonien könnte man als jazzig missverstehen, in Wirklichkeit sind sie die Entsprechung zu Wagners Assoziation des Alltäglichen.
Beim Auftakt, „The New Isn’t So New Anymore“, singt Wagner durch die Geräte, eine Gitarre zittert, dann setzt ein sachte groovendes E-Drumset ein. Man ist im Kopf des Künstlers, der auf einem Rücksitz durch die Gegend fährt und offenbar zu spät zu seinem eigenen Neuanfang kommt. Dann spielt Country-Altmeister Charlie McCoy eine chromatische Mundharmonika, deren altmodisches Seufzen in dem Cyborg-Soul wie ein Fremdkörper wirkt. Aber nur scheinbar!
Das verletzliche Wimmern intoniert Wagners sanfte Poesie. Ebenso großartig ist „This Is What I Wanted To Tell You“, das erst ein Lied ist, dann eine Klang-Installation. Anderswo tritt die Band weiter in den Vordergrund, doch das Kontemplative, Langsame und Abstrakte bleibt. Und dann, ganz zum Schluss, singt Wagner plötzlich völlig unbearbeitet zur akustischen Gitarre, als wäre alles ein Traum gewesen. (City Slang)
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