Kommentar

Einstellung der Ermittlungen gegen Till Lindemann: Nun sollte auch der Sänger sich endlich mal äußern

Ermittlungen eingestellt – nun alles gut? Es ist an der Zeit, das alberne Herumgedruckse zu beenden und offen zu dem zu stehen, was passiert ist

„Alle Verfahren eingestellt“, „rein rechtlich unschuldig“, „kein hinreichender Tatverdacht einer Sexualstraftat“… Wenn man die Überschriften in der „Causa Rammstein“ des heutigen Dienstags (29. August) scannt, scheint die Me-Too-Messe nunmehr gelesen.

Und nicht nur bei der mit dem Fall betrauten Anwaltskanzlei Schertz Bergmann, angesiedelt auf dem Kurfürstendamm, könnten nach dem Entlastungs-Spruch der Berliner Staatsanwaltschaft FÜR ihren Rockstar-Klienten vielleicht ja die Schampus-Korken knallen.

Auch im Rammstein-Camp dürfte ohnehin Genugtuung herrschen: Europa-Tour against all odds erfolgreich beendet. Allem „feministischen Furor“ zum Trotz, allen Demos erhaben und dröhnend schweigend getrotzt.

Jetzt durchschnaufen. Mal angeln gehen oder ins Kraftstudio. Und überhaupt: War da was?

Außer zig Stories in deutschen und internationalen Medien – darunter eine Titelstory des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, die nach den Gesetzen der Popkultur auch auf die Abverkäufe der Brachialrocker eingezahlt hat. Nach dem altbewährten Motto „Every Press is Good Press“ gingen die Musikkatalogverkäufe an. Auch das Merch und das Rammstein-Bier liefen nach einer Recherche des „Handelsblatt“ sehr zufriedenstellend.

In der Kritik: Rammstein-Sänger Till Lindemann

Dazu gehörte und gehört auch die derbe Polarisierung in den Sozialen Medien: Hüben eiserne Durchhalte-Parolen der Fans inklusive wüster Beschimpfungen der Anklägerinnen. Drüben pure Verachtung für den wilden Frontmann seitens der Anti-Lindemann-Fraktion.

Die aktuelle Mitteilung der Staatsanwaltschaft bezieht sich auf die in Berlin eingereichten Anzeigen von Unbeteiligten (drei Privatpersonen und eine Gesellschaft) an den konkreten Vorwurfsfällen. „Da die Anzeigenerstatter nicht zu angeblichen Opfern von Till Lindemann zählen, steht ihnen ein Rechtsmittel gegen die Verfahrenseinstellung nicht zu“, heißt es erläuternd in der PR-Meldung der Berliner Kanzlei.

Zuvor hatte bereits die Staatsanwaltschaft im litauischen Vilnius das Verfahren gegen Lindemann eingestellt, beruhend auf dem Vorwürfen nach dem Rammstein-Konzert am 23. Mai 2023, und erhoben von Shelby Lynn.

Die Ermittlungen sind eingestellt, ist nun also alles gut?

Nein. Oder, frei nach dem Ausspruch des französischen Generals und späteren Staatspräsidenten Charles De Gaulle: Der Berliner Musiker hat zwar „eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg“.

Erst wenn es eine, im so genannten „Krisen-Management“ durchaus übliche, eigene Erzählung von Lindemann und seinen Bandgenossen gibt, dürfte sich der „Fall“ wirklich beenden lassen. Das muss passieren – ob es nun eine Aussage in Richtung „mea culpa, aber so bin ich eben“, ein trotziges „boys will be boys“ oder eine wie-auch-immer-gelagerte Selbstsicht ist.

„Auch den vielen Fans ist Offenheit sicherlich fairer und aufrichtiger als das bisherige feixende Schweigen der Musiker“

Die juristische Klärung, die im zwischenmenschlichen Bereich noch schwerer ist als anderswo, ist die eine Sache. Eine andere ist der nicht-justiziable Bereich, gemein das Zwischenmenschliche und auch die guten Sitten.

Eine eigene Erklärung zum „System Row Zero“ und den diversen anderen Gepflogenheiten auf dem Planeten Rammstein wäre nicht nur gegenüber der breiten Öffentlichkeit durchaus angebracht.

Auch den vielen Fans ist Offenheit sicherlich fairer und aufrichtiger als das bisherige feixende Schweigen nach dem Motto „Ihr wisst schon bescheid, höhö, ansonsten halten wir zusammen“, oder Lindemann-Reimen auf der Bühne, wie „Und denkt immer dran: Bösen Zungen glaubt man nicht, die Wahrheit kommt doch eh ans Licht.“

Passieren im juristischen Sinne kann Lindemann und der Band aufgrund der bisherigen Anschuldigungen aktuell nichts mehr. Es ist an der Zeit, auch unjuristischen Tabula rasa zu machen. So weit wie eben möglich.

Venla Shalin Redferns
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