Kritik „Breaking Bad – El Camino“: Verpasste Chance – nichts Neues von Jesse

Eine neue „Breaking Bad“-Story hätte besser sechs Jahre später angesetzt – anstatt zu rekonstruieren, welchen Problemen sich Jesse direkt nach seinem Ausbruch hat stellen müssen, und von denen wir gar nicht wussten, auch nicht wissen wollten, dass sie sich nach seinem Ausbruch noch ergeben würden. „El Camino“ hätte als Folge 17 und 18 der finalen „Breaking Bad“-Staffel besser funktioniert. Jetzt auf Netflix.

Die Rezension enthält Spoiler.

Am Ende der letzten „Breaking Bad“-Folge von 2013 fuhr Jesse Pinkman (Aaron Paul), der Gefangenschaft entkommen, in die Nacht, erleichtert, jubilierend, aber einer ungewissen Zukunft entgegen. Am nächsten Tag schon ist er in Alaska. Erleichtert, und noch immer auf dem Weg in eine ungewisse Zukunft.

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Nein, ganz so einfach ist es für den ehemaligen Meth-Dealer natürlich nicht gelaufen. Zwischen den Stationen New Mexico und Alaska liegt eine Kette von Ereignissen, liegen mehrere Tage, und dies erzählt der neue Netflix-Film „El Camino“. Es wurde leider jedoch nicht die Geschichte, die man sich nach sechs Jahren Pause gewünscht hätte. Jesse befand sich damals ja schon in Freiheit. Er hätte einfach nur das Gaspedal durchdrücken müssen, die Enden von „Breaking Bad“ und „El Camino“ als einzige lange Autofahrt gezeigt werden können. Wer hätte Jesse schon gestoppt?

„Breaking Bad – El Camino“: Keine neuen Ideen zu Jesse Pinkman

Eine neue „Breaking Bad“-Story hätte besser sechs Jahre später angesetzt, anstatt zu rekonstruieren, welchen Problemen sich Jesse hat stellen müssen, und von denen wir gar nicht wussten, auch nicht wissen wollten, dass sie sich nach seinem Ausbruch noch ergeben würden. Der Held hatte es doch geschafft. Es ist doch klar, dass die Bullen ihn niemals kriegen würden.

Besser wäre gewesen: Was macht Pinkman heute? Lebt er unter falscher Identität, hat er einen Job, Geld? Wie weit läuft die Fahndung nach ihm? Welche Alpträume plagen ihn? Lebt er noch in Angst? Versucht er wieder Kontakt zu seiner Familie, seinen Kumpels aufzunehmen. Das wäre die Story. Sicher auch die Story, die alle weitergesponnen haben, die nach Ende des einmaligen Serienereignisses „Breaking Bad“ einfach nicht von Jesse lassen konnten. Und er fährt und fährt und fährt.

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„El Camino“ erweckt den Eindruck, als wäre man in Produktionssitzungen zum Schluss gekommen, dass mit dem Ende von „Breaking Bad“ und dem Tode Walter Whites (Bryan Cranston) auch Jesse Pinkman zum Ende kommen muss. Als sei Serien-Chef Vince Gilligan nichts mehr zu Jesses Zukunft eingefallen. Weil ihm eine eigene Geschichte anscheinend nicht zugetraut wurde, gliedert sich „El Camino“ wie ein Konsolenspiel, in dem der Geflüchtete in verschiedenen Levels verschiedene Gadgets (Geld, Waffen, Auto) ergattern und ungebetenen Komplizen helfen (Leichen wegschaffen) muss, um die nächste Stufe zu erreichen.

Für einen zweistündigen Film nach Jahren der Pause ist das nicht genug. „El Camino“ hätte als Folge 17 und 18 der finalen „Breaking Bad“-Staffel besser funktioniert. Jetzt haben wir zwei Stunden als längeren Epilog, der sich fast wie ein Betrug anfühlt: Aus dem „Lucky Loser“ Jesse wurde ein Loser, der um sein Überleben bangen muss.

Walter White und Mike Ehrmantraut

Die Anhängerschaft der Serie ist derart groß, dass die „El Camino“-Macher wahrscheinlich nicht damit durchgekommen wären, gewisse Charaktere aus Albuquerque nicht wieder zu zeigen. Robert Forster (Ed) erweist sich als handlungsrelevant, auch Skinny Pete (Charles Baker) und Badger (Matthew Lee Jones), obwohl durch diese Zugabe ihr spektakulär unnützer, aber spektakulär lustiger Auftritt in der letzten „Breaking Bad“-Episode (die Laserpointer!) entwertet wird – es wäre damals ein großartiger Abgang gewesen.

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Andere, wie Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks) und vor allem Walter White fallen eher in die Kategorie „Fan-Service“. Mit Jane (Krysten Ritter) sitzt die falsche (Traum-)frau in Jesses Auto, es hätte Andrea Cantillo (Emily Rios) sein müssen.

Die Flashback-Szene mit dem Mentor White und dem etwas begriffsstutzigen, damals noch jugendlicheren Jesse erweckt den Anschein, als gäbe es sie nur, damit der Kleine seinen inzwischen zum Kult erhobenen Spruch „Yeah, Bitch“ aufsagen kann. Dass Jesse Plemons alias Todd alias „Meth Damon“ für die Rolle, die ihn Jahre jünger zeigen müsste, nicht in Form gekommen ist, muss man nicht beanstanden. Sein Auftritt in „El Camino“ dient jedoch einzig dem Zweck, Jesse aufzuzeigen, dass in Todds Wohnung Geld lagert, welches er für seine Flucht gut gebrauchen kann. Mit sehr viel zeitlichem Aufwand müssen Jesse und Todd dafür die Leiche einer Haushälterin entsorgen.

„Alter, Du bist mein Held und so“, sagt Skinny, ganz am Anfang des Films, zu Jesse Pinkman. Da wird einem wieder klar, welche Stärken Jesse aus jenem Drama gezogen hat, unfreiwillig zum Komplizen des größten Metamphetamin-Dealers in der Geschichte der USA aufgestiegen zu sein. Aus dem Kleinkriminellen wurde im Laufe von fünf Staffeln dieser Held. Am Ende stellt er sich einem Pistolen-Duell, wie im Western. Und wendet einen dreckigen Trick an, weil’s hilft, und weil es im Leben eben manchmal so laufen muss.

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