Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Hall über Quitschau

Kürzlich habe ich mal wieder Schallplatten aufgelegt. In einer Kirche. Ich werde nur noch in Kirchen auflegen. Überhaupt werde ich einige Dinge nur noch in Kirchen tun. Andere wiederum nicht.

Folge 114

Falls auch Sie demnächst in einer Kirche Schallplatten auflegen sollten, werden Sie bei der Auswahl der Musik den Impuls feststellen, überwiegend Musik mit viel Produktionshall zum Einsatz bringen zu wollen. So ging es mir jedenfalls. Kirchen – ganz gleich welchen Baustils – sind in der Regel Hochburgen des Halls, und der Wunsch, diesem Hall noch weiteren hinzuzuaddieren, liegt vermutlich nahe. Voller Vorfreude überführte ich also Platten von My Morning Jacket, Julia Holter oder den Walker Brothers in die Plattenkiste.

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Bald aber kamen mir, von meinen verhalltesten Platten umringt, Zweifel: Was wenn die Gleichung „Hall + Hall = Superhall“ nicht aufginge? Was wenn sich Hall und Hall gewissermaßen aufhöben? Oder schlimmer noch: Was wenn die Doppelhallung einen bislang unerforschten Horrorhall zeitigte, der Schlimmes mit den Ohren machte?

Um es zu verkürzen: Hallige Musik darf in Kirchen unbesorgt aufgelegt werden. Es passiert nichts Schlimmes. Wen diese Information kaltlässt, für den gibt es weiter unten im Text Wissenswertes über sonderbare Bassistennamen.

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Beim Konzert der Fat White Family gewesen. Schön zu sehen, dass es doch noch Bands gibt, die aufs Angenehmste die Kappe kaputt haben. Die Butthole Surfers wären stolz gewesen.

Fat White Family
Fat White Family

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Überhaupt sollte man sich wieder viel mehr trauen und viel öfter den Kahn ganz weit aufs Meer hinaus schieben. Vor ein paar Tagen hörte ich einen kulturbeflissenen Rundfunkmoderator das Lied „Grizzly Bear“ von Angus und Julia Stone mit diesem Satz anmoderieren: „Und jetzt lassen Angus und Julia Stone Meister Petz steppen.“ Wer eine derart fortgeschrittene Sorglosigkeit erreicht hat, der könnte ruhig noch ein, zwei Schritte weiter gehen und demnächst irgendwo öffentlich mit ein paar Gleichgesinnten auf ausgewähltem Leergut das schöne Lied „Don’t worry, be happy“ blasen.

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Neil Young hat dieses Stadium längst erreicht. Seine neue Platte, die er mit Promise of the Real aufgenommen hat und die am 17. Juni erscheinen wird, kündigt der lustige Hippie mit folgendem Statement an: „It’s like a live show, but it’s not a live show. Imagine a live show where the audience is full of every living thing on Earth – all of the animals and insects and amphibians and birds and everybody – and also they overtake the music once in a while and play the instruments. It’s not conventional.“

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Zum Schluss noch eine schöne Information für alle Menschen, die seltsame Namen deutscher 70er-Musiker sammeln. Kürzlich wies mich ein Freund darauf hin, dass auf Franz Josef Degenhardts Livealbum „Von damals und von dieser Zeit“ ein Bassist mit einem wirklich ganz vorzüglichen Namen mitwirkt – und (womöglich auch deshalb) von Degenhardt vorgestellt wird.

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Der Name des Gewährsmanns am Vier-Saiter lautet – Achtung! – Cläusel Quitschau. Ich habe recherchiert: Quietschau spielte in zahllosen Bands unterschiedlicher Natür. Seinen prominentesten Auftritt hatte er vermutlich als Bassist von Trio Rio („New York, Rio, Tokyo“). Der Mann ist immer noch aktiv und spielt derzeit mit der Band Kosmic Blue, von der es heißt: „Kozmic Blue ist keine Janis Joplin-Coverband, wäre aber wohl die Beste.“ Ob er schon mal vor oder mit Insekten musiziert hat, ist nicht überliefert.

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Ich bin auch keine Janis-Joplin-Coverband. Zum Glück, denn ich wäre keine besonders gute. Dafür kann ich Ihnen gerne weiterhelfen, wenn Sie etwas über Hall in Kirchen wissen wollen.

Andrew Benge Redferns via Getty Images
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