Paul McCartney: Alle Alben im Ranking

Zum 80. Geburtstag von Paul McCartney stellt ROLLING STONE-Redakteur Maik Brüggemeyer sein ganz persönliches Ranking aller Post-Beatles-Alben vor

18. „Egypt Station“ (2018)

In einem Interview mit dem ehemaligen Pulp-Sänger Jarvis Cocker erklärte Paul McCartney, seit er seine musikalischen Geistesblitze immer gleich auf seinem Mobiltelefon aufzeichne, leide er an einem Überangebot an Ideen. Auf „Egypt Station“ dürfte er seinen Telefonspeicher ordentlich geplündert haben, denn dieses Album sprüht nur so vor Einfällen – nicht alle davon hat er zu Ende gedacht, aber mit „I Don’t Know“, „Dominoes“ und „Do It Now“ gelingen ihm einige große Songs, die Liebeslieder „Happy With You“ und „Hand In Hand“ sind äußerst hübsch geraten, die Beatles-Reminiszenz „Confidente“ ist anrührend, das verspielte „Back To Brazil“ und der mit Ryan Tedder komponierte Versuch von Teenie-Pop-im-Alter „Fuh You“ machen großen Spaß, und auf Rockstücken wie „Come On To Me“, dem Jaggeresken „Caesar Rock“ und dem fabelhaften Schlussfeuerwerk „Hunt You Down“ scheint seine alternde Stimme neue Kraft gefunden zu haben.

17. „Pipes of Peace“ (1983)

Viele der Songs auf „Pipes Of Peace“  wurden schon während der Sessions zu „Tug Of War“ (1982) aufgenommen, und so gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen den Alben: dieselben Musiker, derselbe Produzent (George Martin) und jeweils zwei Duette mit einem afroamerikanischen Superstar zu hören – beim Vorgänger war es Stevie Wonder, hier ist es Michael Jackson. Doch während „Tug Of War“ ein beatleskes Vergnügen war („ivory“), ist konzeptuelle Gegenpart „Pipes Of Peace“ wohl der Versuch eines Motown-Albums („ebony“), jedenfalls lassen die etwas slickere Produktion und einige grandiose Anverwandlungen das vermuten – so etwa das nach einer verschollenen Smokey-Robinson-Ballade klingende „So Bad“ und die fabelhafte McCartney/ Jackson-Komposition „The Man“, die sogar noch besser ist als ihr hier ebenfalls enthaltener Hit „Say Say Say“. Der komplexe Titelsong wurde McCartneys letzter Nummer-Eins-Hit in seinem Heimatland.

16. Wings: „Wild Life“ (1971)

Wenn man das Debüt der Wings auflegt, hat man wirklich zunächst das Gefühl, die Tür zu einem Proberaum geöffnet zu haben und mitten in eine Jam-Session hineingeraten zu sein, die den Musikern vermutlich mehr Freude macht als jedem, der zuhört. Doch allein die Konsequenz und der Mut, seine neue Band, die immerhin als Nachfolgeband der Beatles gesehen werden würde, auf diese Weise einzuführen, ist beeindruckend. Dass danach eine nach einem Demo klingende Aufnahme eines Kinderliedes mit dem Gaga-Text „Bip bop, bip bop, bam/ Take your bottom dollar, hold it in your hand / Bip bop, bip bop, bop/ Bip bop, bip bop, bam“ folgt, machte es Kritiker*innen seinerzeit nicht schwer, „Wild Life“ in Grund und Boden zu schreiben – heute fällt es dagegen umso leichter, diese charmante Sorglosigkeit zu feiern. „Wild Life“ klingt eigentlich viel mehr wie ein Paul-und-Linda-McCartney-Album als der unter dieser Autorenzeile laufende Vorgänger „Ram“ (1971). Das liegt wohl vor allem an den himmlischen Harmonien auf dem reggaefizierten Cover des Bo-Diddley-Songs „Love Is Strange“, den spektakulär hübschen Akustikstücken „I Am Your Singer“ und „Some People Never Know“ und dem grandiosen Popsong „Tomorrow“. Neben der Eröffnung klingt eigentlich nur noch der mächtige Titelsong wie das Werk einer Rockband. Am Ende steht das rührende „Dear Friend“, ein offener Brief an John Lennon, McCartneys Angebot, den über Lieder ausgetragenen Kleinkrieg zu beenden: „Dear friend, what’s the time?/ Is this really the border line?/ Does it really mean so much to you?/ Are you afraid, or is it true?”

Ranking Paul McCartney Alben

15. „McCartney II“ (1980)

Paul McCartney brauchte nach seiner Festnahme wegen Marihuanabesitzes im Januar 1980 auf dem Tokioter Flughafen und der anschließenden neuntägigen Haft wohl Zeit zum Nachdenken, legte die Wings erstmal auf Eis und veröffentlichte ein paar Tracks, die eigentlich nur zum Spaß entstanden waren, als er auf seiner Farm mit neuen Synthesizern und Sequencern herumgespielt hatte. Definitiv war er auch zu dieser Zeit in Besitz einiger illegaler Rauchwaren, denn „McCartney II“ ist definitiv „under the influence“ entstanden – was man besonders auf dem grandiosen „Check My Machine“ hört, das es, wie einige andere Highlights dieser Sessions („Blue Sway“, „Mr. H Atom“, „Secret Friend“) leider nicht aufs Album schaffte, weil McCartney dann wohl doch ein bisschen Angst vor der eigenen Courage bzw. Avantgarde hatte. So ist „McCartney II“ eine etwas inkonsequente Mischung aus Experimenten in elektronischer Tanzmusik („Temporary Secretary“, „Darkroom“), Ambient („Front Parlour“, „Frozen Jap“), tollen Trademark-McCartney-Balladen („Waterfalls“, „One Of These Days“, „Summer’s Day Song“) und etwas müden Jams („On The Way“, „Nobody Knows”), die von der grandiosen ersten Single „Coming Up“ an die Spitze der britischen Albumcharts gezogen wurde. Ein alter Freund aus Liverpool, der nach New York gezogen war, hörte „Coming Up“ im Radio und plante daraufhin sein Comeback.

14. Wings: „London Town“ (1978)

Eine Fortsetzung der umjubelten Mitt-Siebziger-Welttournee wurde durch Linda McCartneys Schwangerschaft gestoppt. Stattdessen nahm die Band auf einer Yacht in der Karibik Songs für ein neues Album auf, das in Ambition und Klasse an den Kritikererfolg „Band On The Run“ anschließen sollte. Hat vielleicht nicht ganz geklappt, dafür sind die Songs zu leichtgewichtig und soft geraten. Aber genau das macht den Reiz dieses sanften Riesen im McCartney-Oeuvre aus. Der Titelsong und „I’m Carrying“ gehören zu seinen schönsten Siebziger-Songs, „With A Little Luck“ wurde ein großer Hit, Michael Jackson schnappte sich „Girlfriend“ und Denny Laine trug mit dem großenteils aus seiner Feder stammenden „Deliver Your Children“ endlich einen essenziellen Song zum Wings-Katalog bei. Er war natürlich auch Mitkomponist der in der britischen Heimat erfolgreichsten Wings-Non-Album-Single, die 1977 um die Weihnachtszeit alle Rekorde brach: „Mull Of Kintyre“.

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