Warum bejubeln wir Taylor Swift fürs Geldverdienen?

Die zahlreichen Erfolgsmeldungen zur Geschäftstüchtigkeit der Sängerin haben auch etwas Zynisches.

Nun ist Taylor Swift auch noch „Person des Jahres“. Gewählt vom „Time“-Magazine. In einer Reihe mit Wolodymyr Selenskyj, Elon Musk, Joe Biden und Greta Thunberg. Einen kurzen Augenblick fragt man sich, ob sie es nicht schon einmal gewesen ist, so lange ist Taylor Swift nun schon erfolgreich.

Keine Frage: Die Sängerin hat dieses Jahr Rekord um Rekord gebrochen. Sie ist tatsächlich eine der mächtigsten Frauen der Welt, gemessen an ihrer ökonomischen Dominanz, aber auch an ihrer popkulturellen Geltung. Ihre Musik wird weltweit gehört wie keine andere, ihre „The Eras“-Tour könnte wohl locker das Dreifache an Umsatz machen, wenn Stadien nicht irgendwann ausverkauft wären.

Kurzum, Taylor Swift ist selbst in der Liga der Superstars noch eine Nummer größer. Sie ist zu einer Marke geworden, sie gilt als Vorbild für gleich mehrere Genrationen junger Menschen. Sie datet einen erfolgreichen Footballer, und diesmal sieht es nicht so aus, als sei ihr Partner nur eine weitere Nummer, die zum schnellen Abschuss freigegeben ist. Die Sängerin nimmt sogar ihre Alben noch einmal neu auf. Weil sie künstlerisch nicht zufrieden mit ihnen war. So sagt sie es zumindest. Etwas doppelt herausbringen, um auch doppelt Gewinn zu machen, selbst wenn es nur Nuancen anders klingt – auf diese Idee ist in letzter Zeit niemand gekommen. Und dann wird es auch recht geschickt als mutig-emanzipierter Songwriter-Move verkauft.

Eigentlich kann Taylor Swift nicht viel falsch machen (bis auf diesen „Cats“-Film, an den sich aber eh schon keiner mehr erinnert).

Taylor Swift wird zu #taylorswift

Ein Problem gibt es aber bei all diesen Meldungen. Sie handeln zwar von Taylor Swift, aber gemeint ist gar nicht mehr die Musikerin mit den blenden-schönen Country-, Pop- und Folk-Melodien, längst veredelt durch die Kooperation mit den begabtesten Kollegen. Dass die Musikerin genau weiß, was die Mehrheit hören will, ihre Nahbarkeit sicher auch geprägt ist von einer allzu sichtbaren Makellosigkeit, das tut gar nichts zur Sache.

Schlagzeilen hören wir vor allem über die Geschäftsfrau und Influencerin Taylor Swift. Jeder Rekordbericht, von der Chartplatzierung über den Zuwachs des BIP an einem Ort, der sich glücklich schätzen kann, ein Konzert der ohne Frage Hypertalentierten auszutragen, bis hin zu Ehrendoktorwürden oder dem Einfluss auf Mädchen, selbstbewusster die Dinge in die Hand zu nehmen, meint vor allem: There is no business queen like Taylor.

Nun mag jeder Cent, der in die Tasche der Sängerin und ihres gigantischen Stabs rollt, verdient sein. So funktioniert eben der Markt. Wer mehr zu bieten hat, ob nun lediglich auf musischem Wege oder eben, wie es zur heutigen Zeit zu passen scheint, mit offensichtlich kaum auszureizendem Identifikationspotenzial, bekommt auch mehr. Und kann dann auch abgeben. Aber das ist eben auch symptomatisch für ein Pop-System, in dem das Publikum von immer weniger Megastars immer mehr haben will. Trends und Sternchen gab es auch schon früher, doch scheint Taylor Swift mit ihren überirdischen Erfolgszahlen auch zu demonstrieren, dass manche inzwischen die Gelegenheit haben, noch mehr vom immer kleiner werdenden Kuchen abzubekommen.

Konzerte werden zu Events

Dazu passt natürlich die Meldung, dass Taylor Swift die meistgehörte Musikerin auf Spotify ist (und zwar mit Abstand), zugleich aber Künstlerinnen und Künstler, die künftig weniger als 1000 Streams pro Song generieren, überhaupt nicht mehr entlohnt werden sollen. Wer nicht schon eine Fanbase mitbringt, bekommt nicht einmal einen Platz an der Startrampe.

Wer Zuhörerinnen und Zuhörer hat, die jede Kritik abschmettern und dafür im Netz auch aktiv werden, der macht den Eindruck, auf eine gewisse Weise über den Dingen zu schweben. Man besucht also die Konzerte von Taylor Swift ein wenig so, als handelte es sich um die Austragung des Super Bowls. Ein Event, das man vielleicht einmal im Leben gesehen haben sollte. Etwas, das größer ist als alles andere. Auch das macht vergessen, dass Swift Abend für Abend über 40 Lieder auf die Bühne bringt, sich selbst immer wieder neu erfindet, live wie im Studio, und offenbar arbeitet wie kaum jemand anderes in ihrer Branche, um dieses Privileg genießen zu dürfen. Und dann erscheint sie oft auch noch generös und zugewandt. Manchmal gar bescheiden.

Ohne dass es so gewollt sein mag, nimmt allerdings jede Erfolgsmeldung die sensible Musikerin aus dem Spiel und verwandelt sie zu einer Geld- und Authentizitätsmaschine. Bleibt die Frage: Warum gibt es eigentlich etwas zu jubeln, wenn eine Musikerin mehr Geld verdient als andere? Sollte es nicht ihre künstlerische Vision sein, die zu feiern sich lohnen würde und zu kritisieren angemessen wäre, wenn Image und Ertrag nicht immer in Einklang zu bringen sind?

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